Serie zur Hartz-Kommission, Teil III

Keine Wahl

Die Pläne der Hartz-Kommission bringen vor allem Frauen Nachteile und tragen zur Etablierung einer neuen Dienstbotenklasse bei. Hartzschrittmacher III.

Ich glaube, dass wir zueinander finden können«, gab sich der »Superminister« Wolfgang Clement (SPD) in der Vorweihnachtszeit optimistisch, nachdem die Hartz-Reformen am 29. November erwartungsgemäß im Bundesrat abgelehnt worden waren. Und in der Tat ist eine rasche Verständigung zu befürchten, während die Kritik von linken Gewerkschaftern und Arbeitsloseninitiativen keinen Eingang in die offizielle Diskussion findet.

Genauso ungehört verhallen die Einwände der Frauenverbände, die schon früh die gleichstellungspolitische Rückschrittlichkeit der Hartz-Beschlüsse anprangerten. Zwar ist an der Wortwahl des Kommissionsberichts kaum mehr etwas auszusetzen, seit die »Familienväter«, die bevorzugt zu vermitteln seien, nach harscher Kritik durch »Arbeitslose, die besondere Verantwortung für abhängige, betreuungsbedürftige Personen oder Familienangehörige tragen«, ersetzt wurden. Jedoch ist es offensichtlich, dass sich einige der Reformen vor allem für Frauen nachteilig auswirken werden.

Zur Ausgangslage: 85 Prozent aller Empfängerinnen von Arbeitslosenhilfe in der Bundesrepublik, das ergaben Recherchen des deutschen Juristinnenbunds, erhalten weniger als 600 Euro monatlich. Jede fünfte bekommt weniger als 300 Euro; so wenig Hilfe bezieht nur jeder 20. Mann. Den 19 anderen Männern sei ihr Geld herzlich gegönnt, schließlich würde Sozialneid die strukturellen Defizite nicht verbessern.

Frauenberufe bleiben schlechter bezahlt, Führungsjobs sind nicht zu haben, viele Frauen verdingen sich im Teilzeit- und Niedriglohnbereich. 40 Prozent aller arbeitslos gemeldeten Frauen erhalten überhaupt keine Arbeitslosenhilfe, weil mit 325-Euro-Jobs kein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erwerben ist. Andere haben arbeitende Partner, deren Einkommen nun verstärkt auf ihre Arbeitslosenhilfe angerechnet werden soll. Das wird viele Empfängerinnen schmerzlich treffen.

Die neuen Minijobs aus dem Hartz-Papier, die im klassischen Frauensektor der haushaltsnahen Dienstleistungen Arbeitsplätze schaffen und Schwarzarbeit verringern sollen, werden diese Situation kaum verändern. Haushaltsnahe Dienstleistungen werden übrigens nicht nur von Putzfrauen und Haushaltshilfen erbracht.

Auch Altenpflegerinnen, Erzieherinnen oder Krankenpflegerinnen, um nur einige zu nennen, können darunter fallen. Sozialdienste werden es angesichts der konkurrenzlos billigen Minijobberinnen künftig nicht leicht haben, ihre Fachkräfte zu vernünftigen Bedingungen zu vermitteln.

Neu an den Minijobs ist vor allem, dass die Geringfügigkeitsgrenze auf 500 Euro steigt. Die Begrenzung auf eine Wochenarbeitszeit von 15 Stunden wird aufgehoben und der Sozialversicherungsbeitrag des Arbeitsgebers auf zehn Prozent reduziert. Eine Krankenversicherungspflicht gilt nicht, die Haushaltshilfe kann sich gegebenenfalls über den Ehemann, gar nicht oder von den paar Euro freiwillig versichern.

Ähnliches gilt für die Rente. Fünf Prozent trägt der Arbeitgeber, der Rest ist das Problem der Minijobberin. Das verheißt nichts Gutes für die durchschnittliche Frauenrente, die hierzulande schon heute unter dem Existenzminimum liegt. Bald werden auch die Ostrentnerinnen ihren Vorsprung in der Höhe der Rente eingebüßt haben. Jungen Frauen bleibt die beglückende Möglichkeit, 26 Kindern das Leben zu schenken, mit deren Erziehung sie immerhin Rentenansprüche auf Sozialhilfeniveau erwerben können.

Die Steuervorteile für private Haushalte, die Haushaltshilfen beschäftigen - von Gerhard Schröder noch vor kurzem mit sozialdemokratischer Moral als »Dienstmädchenprivileg« verurteilt und zu Jahresbeginn abgeschafft - werden wieder eingeführt. Allerdings auf ein Siebtel reduziert, denn die vollständige Wiedereinführung war Rot-Grün doch zu teuer.

Zum Abbau der Schwarzarbeit hatte das Dienstmädchenprivileg bereits in der Ära Kohl wenig beigetragen. Nur 7 000 neu angemeldete Beschäftigungsverhältnisse betrug die Erfolgsbilanz, was angesichts der jüngsten Schätzung des Bundeswirtschaftsministeriums auf 3,3 Millionen haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse lächerlich anmutet. Davon sind insgesamt nur 40 000 legal.

Diese Zahlen belegen ein gesellschaftliches Phänomen, das weder die Hartz-Kommission noch die Bundesregierung in seiner ganzen Dimension erfassen will. Das Ausmaß der Beschäftigung von Personal in privaten Haushalten hat fast den Stand der vorletzten Jahrhundertwende erreicht. Haushaltshilfen, seit dem Zweiten Weltkrieg weitgehend von der Bildfläche verschwunden, erleben in Doppelverdienerhaushalten, Singlewohnungen und sogar in Studenten-WG eine Renaissance.

Allerdings wurde die Klassenfrage, die im 19. Jahrhundert noch über die Einteilung in Dienstherrin und Dienstmagd entschied, von der Frage nach nationaler Herkunft, Arbeitsrecht und Aufenthaltsstatus abgelöst. Die meisten Haushaltshilfen kommen aus Osteuropa, Südamerika oder aus anderen armen Regionen der Welt, viele von ihnen sind Lehrerinnen, Ärztinnen oder Juristinnen, und fast alle werden illegal beschäftigt.

Je weniger Papiere sie haben, desto größer ist die Abhängigkeit. Vor allem Haushaltshilfen ohne Aufenthaltsrecht arbeiten unter miesen Arbeitsbedingungen, machen unbezahlte Überstunden, sind sexuellen Belästigungen ausgesetzt und bekommen oft weniger als fünf Euro pro Stunde.

Die »Schwarzarbeit«, die mit den Minijobs bekämpft werden soll, ist zu einem nicht geringen Teil die Überlebenspraxis illegalisierter Menschen, von deren Existenz hierzulande beredt geschwiegen wird. Wenn wegen der steuerbegünstigten Minijobs die Konkurrenz steigt, werden diese Frauen zu noch schlechteren Bedingungen in den Haushalten arbeiten, sie haben keine Wahl.

Mag ein Minijob im Einzelfall eine geringfügige Verbesserung der bisher völlig unabgesicherten Beschäftigung darstellen, verschlechtert er strukturell die Lage der Betroffenen: die der Minijobberinnen selbst, die sich auf dem deregulierten Arbeitsmarkt verdingen müssen, der ausgebildeten Fachkräfte, die sich der billigen Konkurrenz ausgesetzt sehen, und der Frauen, denen schlicht keine Alternative zur »Schwarzarbeit« bleibt.

Gesamtgesellschaftlich gesehen, trägt der konsequent an den Bedürfnissen der Arbeitgeber ausgerichtete Minijob zur Institutionalisierung einer Dienstbotenklasse bei, die angesichts des technisierten Haushalts im 21. Jahrhundert anachronistischer denn je erscheint.