Streit um das Verbot der baskischen Batasuna

Schweigen ist Gold

Nach dem Verbot der Separatistenpartei Batasuna fordern die gemäßigten Nationalisten die baldige Unabhängigkeit des Baskenlandes.

Selbstbestimmung jetzt«, skandierten 15 000 Demonstranten auf den Straßen San Sebastians. Seitdem die radikale Separatistenpartei Batasuna im Sommer wegen ihrer angeblichen Nähe zur Eta verboten wurde, mobilisieren die gemäßigten Nationalisten für eine möglichst baldige Unabhängigkeit des Baskenlandes. So nahmen neben den zahlreichen Anhängern des im Baskenland regierenden Partido Nacionalista Vasco (PNV) auch die meisten führenden Mitglieder der Batasuna an der Demonstration der vorletzten Woche teil.

Ein Umstand, der bei den anderen bürgerlichen Parteien im Baskenland für Empörung sorgte. »Sie lassen die Opfer im Stich«, ereiferte sich der baskische Sozialist Miguel Buen auf einer Kundgebung wenige Tage zuvor.

Die gemäßigten Nationalisten hatten Ende August dem Verbotsverfahren gegen Batasuna ihre Zustimmung verweigert und wenig später angekündigt, innerhalb eines Jahres ein Referendum über die Unabhängigkeit durchzuführen. Spaniens konservative Regierungspartei Partido Popular (PP) und die sozialistische Oppositionspartei (PSOE) werfen dem baskischen Regierungschef Juan José Ibarretxe nun vor, das Verfahren aus wahltaktischen Gründen zu hintertreiben und damit ihre Antiterrorpolitik zu torpedieren. Die Regierung hatte zusamen mit der sozialistischen Opposition bereits im Juni eigens ein neues Parteiengesetz verabschiedet, um Batasuna verbieten zu können.

»Brutal verfassungsfeindlich« nennt Emilio Olabarria Munoz, der Rechtsexperte der PNV, das Vorgehen. Weil bisher niemals genügend Beweise für eine strukturelle Verbindung der Eta zu Batasuna gefunden werden konnten, um die Partei juristisch zu verfolgen, sei eben einfach ein neues Gesetz »maßgeschneidert« worden, glaubt er.

Das Misstrauen der baskischen Nationalisten gegenüber dem Vorstoß der »spanischen« Parteien ist groß. Batasuna ist die erste Partei, die seit dem Ende der Diktatur Francos für illegal erklärt werden soll. Und ist sie erst verboten, so fürchten viele, könnte diese Methode in naher oder ferner Zukunft auch auf andere unliebsame Parteien in Spanien angewandt werden.

Unterstützung findet die PNV bei zwei Dritteln der baskischen Bevölkerung. Dabei geht es längst nicht allen um Batasuna, sondern um die Frage, wie und mit welchen Mitteln eine Partei in einer Demokratie verboten werden darf. Denn die Sorge, erneut der Willkür einer spanischen Zentralmacht ausgesetzt zu sein, sitzt auch bei vielen gemäßigten Basken tief.

Tatsächlich zweifen etliche Politologen und Staatsrechtler an der Verfassungskonformität des neuen Parteiengesetzes. Besonders problematisch sind die Ausführungen über die »explizite oder stillschweigende politische Unterstützung« des Terrorismus. Die Weigerung Batasunas, ein Attentat der Eta, bei dem Anfang August zwei Menschen starben, öffentlich zu verurteilen, wurde plötzlich zum Straftatbestand. Und obwohl die spanische Verfassung das Recht auf freie Meinungsäußerung ausdrücklich garantiert, soll nun das Recht, eine Meinung nicht zu äußern, unter Strafe stehen. Schweigen wird zum Verbrechen, die vermutete Gesinnung zur Tat, meinen die Kritiker.

Dass Batasuna die Separatistenorganisation nicht nur mit Sympathien unterstützt, sondern auch logistisch, finanziell und bei der Rekrutierung von Mitgliedern eine wichtige Rolle einnimmt, gilt indes unter den Befürwortern des Verfahrens als längst bewiesen.

Mit dem Verbot Batasunas glauben die Regierung und die Opposition deshalb vor allem die Eta zu schwächen. Ein verständlicher Wunsch. 3 000 Menschen werden im Baskenland von ihr mit dem Tod bedroht, weil sie angeblich mit dem spanischen Staat kollaborieren. Journalisten, Unternehmer, Professoren sowie sämtliche Politiker des Partido Popular und des PSOE und ihre Angehörigen im Baskenland sind gefährdet und können sich nicht mehr ohne Leibwächter bewegen. Und zwar unabhängig davon, ob sie gerade an einer Wahlkampfveranstaltung teilnehmen oder noch schnell etwas fürs Frühstück einkaufen.

Batasuna selbst klagt gegen den Beschluss. »Moralische Appelle«, wie sie von der Partei nach Attentaten immer wieder gefordert würden, so ihr ehemaliger Sprecher Arnaldo Ortegi, seien nicht die Aufgabe von Politikern. Für ihn ist klar, dass das Verbotsverfahren in einer politischen Situation im Baskenland entstanden ist, »in der dieselben Leute die Macht haben, die auch schon während der Diktatur an der Spitze des Staates standen«.

Tatsächlich befinden sich in den Reihen der PP viele ehemalige Anhänger Francos. Die Gewalt der Eta bezeichnet die 1978 gegründete Partei deshalb auch respektvoll als »bewaffneten Kampf« für ein »freies und unabhängiges Baskenland«, der automatisch überflüssig werde, sobald »politisch verhandelt« werde.

Allerdings existiert Batasuna faktisch schon jetzt nicht mehr. Denn Spaniens prominentester Richter, Baltasar Garzón, ordnete per einstweiliger Verfügung die »vorläufige Suspendierung« der Partei an. Offiziell hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Faktisch aber ist die Partei lahm gelegt.

Eine Gefahr für die Demokratie sieht Leopoldo Barreda, Sprecher der baskischen Fraktion des Partido Popular, im Verbotsverfahren nicht. »Die Eta«, hebt Barreda an und hätte auch »Batasuna« sagen können, »ist die letzte wirkliche Grenze der Freiheit in Europa!« Die Regierung in Madrid habe mit dem Parteiengesetz alles getan, »um die Freiheit auch im Baskenland und in ganz Spanien wieder herzustellen«.

Der Einwand, dass mit dem Gesetz immerhin eine demokratisch legitimierte Partei ausgeschaltet wird, zählt für ihn nicht. Während die Eta in den letzten Jahren deutlich an Unterstützung verloren hat, verfügt Batasuna immer noch über einen hohen gesellschaftlichen Rückhalt. Sie gewinnt durchschnittlich zehn bis 15 Prozent der Wählerstimmen im Baskenland, in 49 Wahlbezirken stellt sie den Bürgermeister.

Die baskische »Bewegung für Frieden und Dialog«, Elkarri (Zusammen), warnt deshalb vor dem Ausschluss Batasunas aus dem politischen Dialog. Batasuna und die Eta seien nicht dasselbe, auch wenn zwischen den Angehörigen beider Gruppen Verbindungen bestünden. Aber dies reiche nicht aus, um eine Partei zu verbieten. Schließlich verschwänden deren Anhänger im Falle eines Verbotes nicht einfach mitsamt ihren politischen Vorstellungen.

Eine Kritik, die Leopoldo Barreda nicht gelten lassen will. Etwas anderes als das Verbot sei nicht möglich, denn selbst die moderaten Nationalisten der PNV seien aus wahltaktischen Gründen auf die Unterstützung Batasunas angewiesen und »an einem Ende der Gewalt der Eta deshalb überhaupt nicht interessiert«.

Die nächste Kraftprobe wird schon vorbereitet. In der kommenden Woche wollen die Nationalisten mit einer Großveranstaltung wieder für die Unabhängigkeit des Baskenlandes demonstrieren.