Bericht über Waffenarsenal

Vielseitige Botschaft

In seinem der Uno übergebenen Bericht behauptet das irakische Regime, keine Massenvernichtungswaffen zu produzieren. Gleichzeitig beginnt Saddam Hussein eine Charmeoffensive in der Golfregion.

Für Ari Fleischer, den Sprecher des US-Präsidenten George W. Bush, ist der Fall klar. »Der Präsident sagt, er hat Massenvernichtungswaffen, Donald Rumsfeld sagt, er hat Massenvernichtungswaffen, die Vereinten Nationen sagen, er hat Massenvernichtungswaffen, nur er selbst meint, er habe keine. Es bleibt Ihnen überlassen, wem Sie glauben wollen«, meinte er am Freitag der vergangenen Woche auf die Frage eines Journalisten nach dem Waffenarsenal Saddam Husseins.

Zumindest die Vereinten Nationen aber können entgegen den Behauptungen Fleischers noch keine Auskunft über irakische Massenvernichtungswaffen geben, und das wird aller Voraussicht nach auch noch einige Zeit so bleiben. Schließlich hat der Bericht über das irakische Rüstungsprogramm, der am vergangenen Samstag den Inspektoren übergeben wurde, mehr als 11 000 Seiten, und ein Teil davon ist in Arabisch abgefasst. Seit dem letzten Sonntag sind nun Experten in den UN-Hauptquartieren in Wien und New York mit der Auswertung der irakischen Offenbarung beschäftigt.

»Jetzt befinden wir uns in der kritischen Phase der Inspektionen, alles andere davor war nur Geplänkel«, sagt Admiral Stephen Baker, der während des letzten Golfkrieges das Zentralkommando der US Navy im Persischen Golf leitete, im Gespräch mit der Jungle World. Entsprechend trickreich agiert der UN-Chefinspektor Hans Blix. Er kündigte an, den Bericht der Irakis auch den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates vorläufig nicht auszuhändigen, um niemandem eine »Anleitung zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu geben«.

Die Diskretion soll möglicherweise für westliche Staaten und Konzerne unangenehme Enthüllungen vermeiden. So gab US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld noch im September an, seine Regierung wisse nichts über die Lieferung von Viren- und Bakterienstämmen an den Irak in den achtziger Jahren; Senator Robert C. Byrd dagegen sprach von einer »langen und beängstigenden Liste«. Der Bericht für die Uno benennt nach Angaben der irakischen Nachrichtenagentur Ina »Unternehmen und Länder, die dem Irak in der Vergangenheit bei der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen halfen«, und er enthalte »Informationen, die bei der Strafverfolgung gemäß den Exportkontrollgesetzen anderer Staaten helfen könnten«.

Vor allem aber will Blix wohl seine Mitarbeiter erst das Material selbst auswerten lassen, um die USA in ihrem Interpretationseifer ein wenig zu bremsen. Denn Bush wird alles versuchen, um den Irakis nachzuweisen, dass sie in dem Bericht flunkern. Neben jenen chemischen und biologischen Kampfstoffen, deren Verbleib beim Abbruch der Inspektionen von 1998 ungeklärt war, dürften vor allem jene von Hussam Muhammad Amin, dem für den Bericht verantwortlichen Leiter des Iraqi National Monitoring Directorate, eingeräumten dual use-Produkte, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen können, zum Streitpunkt werden.

»Die Irakis haben schon einmal zugegeben, Toxine herzustellen, die krebserregend wirken, und die Vereinten Nationen haben sich darüber ziemlich gewundert. Denn was würde es nützen, US-Soldaten bei einer Invasion mit einem solchen Toxin anzugreifen, wenn dann die Opfer 20 Jahre später an Krebs sterben«, erzählt Jan van Aken, ein Chemiewaffenexperte des deutsch-amerikanischen Sunshine Project. Sollten in dem neuen Bericht abermals Seltsamkeiten solcher Art stehen, würde das den USA wohl reichen, um den Irakis ein bösartiges Verwirrspiel vorzuwerfen.

Die US-Regierung wird wohl auch einen von der in Brüssel ansässigen International Crisis Group enthüllten Vorfall zur Sprache bringen. Im September hatte Jugoslawien dem Irak angeboten, bei der Beseitigung von dubiosen Anlagen in irakischen Fabriken behilflich zu sein. Allerdings ist nicht klar, ob der Irak das freundliche Angebot angenommen hat.

Die Menge der Informationen jedenfalls, die im irakischen Bericht enthalten sind, soll kein Hindernis für amerikanische Analysen sein. »Saddam Hussein sollte nicht glauben, dass er uns mit seinen 11 000 Seiten verwirren kann«, erklärte Fleischer. Seine Regierung hat sich ihr Urteil schon gebildet, bevor die Irakis ihren Bericht ablieferten. »Die Waffeninspektoren werden etwas finden. Mein ehemaliger Boss hat immer gesagt, auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn«, erzählt Danielle Pletka, die Vizepräsidentin des Beratergremiums American Enterprise Institute in Washington, der Jungle World. Das Institut arbeitet eng mit Bush zusammen.

Um mehr Körner zu finden, haben die USA und Großbritannien ihre eigenen Spezialisten in den Irak geschickt. »Ich kann Ihnen sagen, dass Spezialkräfte der USA und der Briten bereits im Irak operieren und die Verteidigungsfähigkeit des Landes überprüfen«, sagt Baker. Solche Spionage wird derzeit durch den Rückzug der irakischen Armee in die Umgebung der größeren Städte erleichtert. »Die sind bisher auf keinen einzigen irakischen Soldaten gestoßen«, erzählt Baker.

Die Konzentration der irakischen Armee in den Ballungsräumen ist ebenso eine Vorbereitung auf einen möglichen Angriff wie die Charmeoffensive von Saddam Hussein. Während nämlich am Samstag im UN-Quartier in Bagdad der ersehnte Bericht über die Massenvernichtungswaffen der Irakis abgeliefert wurde, ließ Saddam Hussein im irakischen Fernsehen seinen Informationsminister Muhamad Said Sahaf antreten. Er entschuldigte sich bei den Kuwaitis für die Invasion im August des Jahres 1990, rechtfertigte die damalige Entscheidung aber mit der Notwendigkeit, den Irak gegen einen US-Angriff, der angeblich schon im kleinen Kuwait vorbereitet worden sei, verteidigen zu müssen. Gleichzeitig begrüßte Sahaf indirekt die Anschläge auf US-Soldaten, die in den vergangenen Wochen in Kuwait verübt wurden, und rief die »Gläubigen, Ergebenen und heiligen Krieger« auf, sich mit dem Irak gegen die »ungläubigen Armeen« zu verbünden.

Das Eingeständnis, mit der Invasion Kuwaits einen Fehler begangen zu haben, ist ein weiterer Versuch des irakischen Regimes, nicht mehr als eine seine Nachbarstaaten bedrohende Macht zu erscheinen, sondern als ein verlässlicher Partner, der ungerechten Angriffen ausgesetzt sei. Saddam Hussein versucht, eine regionale Koalition aufzubauen, die endlich einen gemeinsamen Feind hat. Schon im März dieses Jahres hatte der Vizepräsident des Revolutionären Kommandorates, Izzat-Ibrahim al-Douri, beim Gipfel der Arabischen Liga in Beirut die Souveränität Kuwaits anerkannt und damit ein Dogma der eigenwilligen irakischen Geschichtsschreibung gebrochen, die Kuwait zu einem organischen Teil des Irak erlärte.

Erfolg wird Saddam Hussein damit wohl ebenso wenig beschieden sein wie Bush bei seinen Bemühungen, die europäischen Verbündeten auf einen Krieg einzuschwören. Im Gegensatz zu Saddam kann sich der US-Präsident eine gewisse Einsamkeit schon wegen der militärischen Übermacht der USA leisten. Doch auch nach der Ansicht seiner Beraterin Pletka fehlt noch eine zentrale politische Voraussetzung für einen erfolgreichen Krieg: »Es ist dumm von unserer Administration, sich noch nicht wirklich auf einen Nachfolger für Saddam Hussein geeinigt zu haben«.

In diesem Versäumnis sieht die konservative Politologin den einzig wirklich guten Grund, noch nicht anzugreifen: »Es dauert noch ein wenig, aber wir werden Saddam Hussein beseitigen. Das wird noch nicht in der nächsten Woche geschehen, aber schon bald«.