Bush-Zulage für Börsianer

Die Steuersenkungspläne der US-Regierung geraten in die Kritik. Die Demokraten betrachten sie als sozial ungerecht, Konservative fürchten um die Handlungsfähigkeit des Staates. von william hiscott

Der Esel braucht einen Fußtritt und kein liebevolles Tätscheln.« So begründete Trent Duffy, ein Sprecher des Office of Management and Budget des Weißen Hauses, den am Dienstag der vergangenen Woche in Chicago vom Präsidenten George W. Bush vorgestellten Konjunkturbelebungsplan für die US-Wirtschaft. Und der geplante Fußtritt ist kräftig. Auf mehr als 670 Milliarden Dollar will der Staat in den nächsten zehn Jahren verzichten.

Die Dividendensteuer soll komplett wegfallen und die Einkommenssteuer in vielen Fällen reduziert werden, zudem sind Steuerbegünstigungen für Unternehmen geplant. Bush erwartet, dass seine Maßnahmen das Wirtschaftswachstum stimulieren und so auch bei geringeren Steuersätzen mehr Geld in die Staatskassen fließt. Zumindest kurzfristig aber werden die Staatseinnahmen sinken, und eine langfristige Belebung der Konjunktur wird nicht nur von linken Kritikern bezweifelt.

Dass diese Steuererleichterungen hauptsächlich Wohlhabenden und Reichen zugute kommen werden, bestreitet Bush nicht. Allein die Abschaffung der Dividendensteuer bringt den Anlegern 360 Milliarden Dollar. Diese Begünstigung wird jedoch verteidigt. Ari Fleischer, der Sprecher des Weißen Hauses, hält es für einen »Klassenkrieg«, wenn Kritiker sagen, dass »diese Leute keine Steuererleichterungen verdienen«. Führende Demokraten im Kongress haben eilig einen konkurrierenden Plan vorgelegt. Er sieht zwar auch Steuererleichterungen vor, aber in erheblich geringerem Umfang, und sie sollen überwiegend Arbeitern und Angestellten zugute kommen, die weniger als 50 000 Dollar im Jahr verdienen.

William Gale von der Brookings Institution, einem politisch unabhängigen think tank in Washington, errechnete, dass diejenigen, die 50 000 Dollar im Jahr verdienen, 84 Dollar weniger Steuern zahlen werden, gegenüber 27 000 Dollar Ersparnis für diejenigen, die mehr als eine Million Dollar im Jahr verdienen. Fast 30 Prozent der Steuererleichterungen würden allein von den reichsten US-Amerikanern kassiert, die nur ein Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Zudem zweifelt Gale am ökonomischen Erfolg der Maßnahmen Bushs. Der Plan werde die Wirtschaft kaum beleben, jedoch den Staatskassen erhebliche Einnahmeverluste bescheren. Er schlägt Maßnahmen vor, die den derzeitigen keynesianischen Positionen der Demokraten ähneln: »Ein gut formulierter Konjunkturbelebungsplan würde Geld in gering und durchschnittlich verdienende Haushalte bringen, würde die einzelnen Bundesstaaten entlasten (…) Geld würde in die Hände der Leute fließen, die es brauchen und auch ausgeben.«

Widerspruch ist sogar aus Bushs Republikanischer Partei zu hören. Denn sein Vorstoß gegen die Dividendensteuer erfreut zwar seine wirtschaftsliberalen Parteifreunde, einige der Republikaner im Kongress und in den Gouverneurshäusern aber beginnen, ihren Unmut zu äußern. Die Bundesstaaten profitieren bislang von der Dividendensteuer, und Ausfälle in dem vorgeschlagenen Maß würden ihre Möglichkeiten einschränken.

Letztlich kopiert Bush die Konjunkturbelebungsprogramme der achtziger Jahre, allerdings ohne die viel geschmähte »Trickle-Down Economy« zu zitieren. Diese »angebotsorientierte« Wirtschaftstheorie, propagiert und angewandt vom damaligen Präsidenten Ronald Reagan, bedeutet eine staatliche Umverteilung von unten nach oben. Sie sieht vor, durch die Senkung der Spitzensteuersätze und den Abbau von Sozialleistungen die Konjunktur »von oben« zu beleben. Die Gewinner sollen nach dieser Theorie mehr Geld investieren, sodass der Wohlstand dann tröpfchenweise nach unten sickert (trickle down) und auch der Staat mehr Steuern einnimmt. Allerdings wuchsen infolge der Reagonomics die sozialen Unterschiede ebenso rasant wie das Defizit im Staatshaushalt.

Wie Reagan will auch Bush höhere Militärausgaben. Der »Krieg gegen den Terror« und der geplante Angriff auf den Irak müssen finanziert werden, Rüstung gilt aber auch als Konjunkturbelebungs- und Arbeitsbeschaffungsprogramm sowie als Mittel, einflussreiche Klienten an sich zu binden. Allerdings schätzt die Washington Post, dass Bushs Plan und die Kosten eines Krieges gegen den Irak das Haushaltsdefizit in diesem Jahr auf 350 Milliarden Dollar steigern könnten. Noch im Jahr 2000 fand sich ein Haushaltsüberschuss von 236 Milliarden Dollar in der Staatskasse.

Solche Prognosen sind auch für viele Konservative schwer zu verkraften, die die Handlungsfähigkeit des Staates gefährdet sehen. Und im Unterschied zu den achtziger Jahren kann der Staatshaushalt heute nicht mehr durch den Abbau von Sozialleistungen stabilisiert werden. Denn dank der neoliberalen Politik der letzten 20 Jahre, die auch vom demokratischen Präsidenten Bill Clinton entschlossen vorangetrieben wurde, gibt es dort praktisch nichts mehr zu holen.

Bush scheint sich, wie seine republikanischen Vorgänger, über das erhöhte Staatsdefizit wenig Sorgen zu machen. Denn jetzt ist für ihn die Zeit gekommen, seine Freunde im wirtschaftsliberalen Flügel der Republikanischen Partei zu belohnen. Und die Fiskalkonservativen seiner Partei werden ungeachtet ihrer Kritik wohl kaum für die Demokratische Partei stimmen.

Sie werden sich wahrscheinlich mit kosmetischen Änderungen zufrieden geben, doch gegenüber den Demokraten im Senat wird Bush wohl Zugeständnisse machen müssen. Die Republikaner haben dort zwar die Mehrheit, aber die Demokraten halten eine Sperrminorität. Und nachdem die Demokraten die Kongresswahlen im November (Jungle World, 47/02) verloren haben, gibt es für sie wenig Grund, Kompromissbereitschaft zu zeigen. Demokratische Anwärter auf die Präsidentschaft sehen hier eine gute Gelegenheit, sich im Hinblick auf die im Jahr 2004 stattfindenden Wahlen zu profilieren. Sie laufen, allen voran der linksliberale Howard Dean, ein ehemaliger Gouverneur von Vermont, Sturm gegen den Plan Bushs.

Allerdings kann Bush ihre Angriffe aus einer Position der Stärke erwarten und dürfte in der Lage sein, große Teile seines Plans zu verwirklichen. Die Wirtschaftsdaten sind schlecht, die Arbeitslosigkeit ist mit sechs Prozent relativ hoch, es ist ein kalter Winter, und die Benzinpreise sind in letzter Zeit dramatisch gestiegen. Bush kann sich nun, gestärkt durch den Sieg bei den Kongresswahlen, als energisch zupackender Präsident präsentieren.

Vor allem hat er bislang erfolgreich das innenpolitische Thema der Wirtschaftskrise und den »Krieg gegen den Terror«, zu dem nach Ansicht der US-Regierung auch der geplante Angriff auf den Irak gehört, miteinander verbinden können. Diese Strategie, alle politischen Fragen mit dem 11. September in Verbindung zu bringen, setzte er auch in der Rede fort, die seine Wirtschaftspläne verkündete: »Wir begegnen den Herausforderungen an Amerika. Wir stärken unsere Wirtschaft, und wir bringen die Schlacht zu unseren Feinden. Und wir werden unsere Arbeit nicht zur Hälfte ungetan lassen. In den kommenden Monaten werden wir uns jeder Bedrohung der Sicherheit und der Unversehrtheit des amerikanischen Volkes stellen. Wir werden vorwärtsdrängen, um unsere (wirtschaftliche) Erholung in dauerhaftes Wachstum zu verwandeln.«

Implizit wird die Zustimmung zu seiner Wirtschaftspolitik zur patriotischen Pflicht erklärt, vergleichbar dem Vorgehen bei der Einführung neuer Gesetze, die die Bürgerrechte einschränken. Bislang hat Bush mit dieser Politik keinerlei Niederlagen einstecken müssen. Und Gewinner sind in den USA nur schwer zu bremsen.