Ein schwieriger Kunde

Die Uno ist in einer ungemütlichen Position. Denn die USA und Nordkorea streiten um ein bilaterales Abkommen, nicht aber um die Einhaltung internationaler Verträge. von martin schwarz, wien

Eine neue Beredsamkeit hat die diplomatischen Vertreter Nordkoreas in den Metropolen dieser Welt erfasst. In der vergangenen Woche gaben die Botschafter des kleinen asiatischen Landes beinahe im Stundentakt Pressekonferenzen an jenen Orten, wo der Konflikt um die Nuklearpolitik Nordkoreas besonders heftig diskutiert wird: in Moskau, Peking und New York. Zuletzt trat am Samstag der vergangenen Woche Kim Gwang Sop, der Botschafter Nordkoreas in Österreich und bei den Vereinten Nationen in Wien, vor die Presse und erklärte, worum es dem maroden ostasiatischen Land eigentlich gehe: »Wenn die USA unserem Land Sicherheitsgarantien geben, ist das Problem gelöst.«

Der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) der Vereinten Nationen hatte der Diplomat viel weniger zu offerieren. Die Angelegenheit sei ein militärischer Konflikt zwischen den USA und Nordkorea, man wolle sie daher nicht mit der IAEA besprechen.

Um eine Wiederaufnahme der Öllieferungen aus den USA, einen Nichtangriffspakt und schließlich eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen zu erreichen, hat Pjöngjang sein Nuklearprogramm als einzig wirkungsvolles Druckmittel entdeckt. Eine Einigung mit den Vereinten Nationen wäre nur ein Nebeneffekt, nicht aber das eigentliche Ziel.

Nach vorherrschender Meinung im diplomatischen Universum Nordkoreas ist die IAEA maßgeblich schuld an der Eskalation des Konflikts. »Wir haben keinerlei Verpflichtungen gegenüber der Behörde«, so der Diplomat, sie würde das Problem nur ungerechtfertigt internationalisieren.

Das ist nicht unbedingt richtig. In jenem bilateralen Abkommen zwischen den USA und Nordkorea aus dem Jahre 1994, das nun zu erneuern die Nordkoreaner angetreten sind, ist auch die Anwesenheit von Inspektoren der Atomenergiebehörde in Nordkorea festgeschrieben. Die UN-Organisation IAEA hatte sich damals als diplomatische Gratiszugabe eines Abkommens zwischen zwei Staaten benutzen lassen und ist heute nicht allzu glücklich darüber. »Das war Teil dieses bilateralen Abkommens, und an einem solchen sind wir nicht sehr interessiert. Wir würden es für besser halten, wenn die Anwesenheit unserer Inspektoren Teil eines üblichen multilateralen Vertrages sein würde«, sagt Melissa Fleming, die Sprecherin der IAEA in Wien.

Nachdem Nordkorea auch noch aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) ausstieg und sein Moratorium von Raketentests aufkündigte, hält es sich nicht mehr an brisante UN-Verträge, nur um eine Vereinbarung mit den USA zu erreichen. Für die UN ist das eine knifflige Sache, sie müssen nun dafür sorgen, dass Nordkorea seine internationalen Verpflichtungen einhält, und stehen im Zentrum eines Konflikts zwischen zwei Staaten.

Mit dem Kalkül einer möglichen Einigung zwischen dem Reich George W. Bushs und jenem des »geliebten Führers« Kim Jong-il wurde auch die milde gehaltene Resolution des Gouverneursrates der IAEA zu Beginn der vergangenen Woche in Wien verabschiedet. Nordkoreas Verletzung seiner Verpflichtungen gegenüber der IAEA wird darin »schärfstens verurteilt« und das Land wird aufgefordert, wieder UN-Inspektoren die Atomanlagen überprüfen zu lassen.

»Es ist eine Sache von Wochen«, meinte der IAEA-Generaldirektor Mohamed El Baradei auf einer Pressekonferenz in Wien, innerhalb deren Nordkorea die Forderungen der IAEA zu erfüllen habe. Die Resolution verlangt zwar einerseits, dass sich Nordkorea so rasch wie möglich dem Inspektionsregime der UN unterwirft, ein Ultimatum fehlt aber in dem Text.

Der Jungle World aber sagte noch vor der Aufkündigung des NPT eine Mitarbeiterin der IAEA, die anonym bleiben wollte, die 35 Mitglieder des Gouverneursrates hätten sich informell auf eine Frist von einem Monat geeinigt, in der »Nordkorea in den Schoß der Familie zurückkehren kann«. Bis dahin hoffe man in Wien, die Lage könne sich durch direkte Gespräche zwischen den USA und Nordkorea wieder beruhigen lassen. »Wir wollen auch anderen Verhandlungen eine Chance geben«, so Fleming.

Nordkorea wiederum ignorierte die Wiener Resolution vollends. Obwohl das nur zwei Seiten umfassende Papier sofort nach Pjöngjang gefaxt wurde, rührte sich dort nichts. Die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA erwähnte die Resolution mit keinem Wort, setzte einige Verbalinjurien gegen die USA ab und beschäftigte sich ansonsten mit einer menschelnden Anekdote über einen Fabrikbesuch Kim Jong-ils aus dem Jahre 1998.

Die Geduld der IAEA ging erst zu Ende, als Nordkorea am Freitag verkündete, aus dem Atomwaffensperrvertrag auszusteigen. Nun möchte die Atomenergiebehörde erneut handeln und in einer neuen Sitzung des Gouverneursrates in Wien die Angelegenheit dem UN-Sicherheitsrat in New York vorlegen, in mäßigem Tempo. Denn in Washington einigten sich El Baradei und US-Außenminister Colin Powell offensichtlich darauf, es langsam angehen zu lassen: »Letztlich wird der Fall dem Sicherheitsrat vorgelegt werden müssen, aber wann und wie genau, das wird erst noch beschlossen werden«, erklärte El Baradei.

Wenn sich der Sicherheitsrat schließlich zu einer Resolution durchringt und Sanktionen verhängt, dürfte das aber den Konflikt weiter eskalieren lassen. »Wir betrachten wirtschaftliche Sanktionen des UN-Sicherheitsrats als Kriegserklärung gegen unser Land«, verkündete Pak Gil Yon, der Botschafter Nordkoreas bei den UN in New York, am Freitag. Gleichzeitig mahnte er erneut an, dass dieses Problem »friedvoll durch Gespräche zwischen den USA und Nordkorea gelöst werden kann«.

Ein konkretes Angebot richtete indessen der nordkoreanische Botschafter in Österreich, Kim Gwang Sop, an die USA. Sollten sie in Verhandlungen mit Nordkorea treten, Sicherheitsgarantien für das Land abgeben und ihre Hilfslieferungen fortsetzen, könnten US-Inspektoren Nordkoreas Nuklearprogramm überwachen. Die Gespräche nordkoreanischer Diplomaten mit dem ehemaligen US-Energieminister und jetzigen Gouverneur New Mexicos, Bill Richardson, sind erste Anzeichen dafür, dass ein Separatabkommen zwischen den beiden Staaten im Bereich des Möglichen liegt.

Den weitgehend ignorierten UN macht das inzwischen mehr Sorgen als die Situation im Irak. »Pjöngjang ist eindeutig der schwierigere Kunde als der Irak. In Nordkorea haben wir nicht einmal Inspektoren, im Irak wird sogar mit uns kooperiert«, so Fleming. Dass Nordkorea ein solch »schwieriger Kunde« der Uno werden konnte, ist womöglich auch der nicht ganz stringenten Politik der USA zu verdanken: »Wir haben den Nordkoreanern niemals gesagt, welche tollen Dinge geschehen könnten, wenn sie ihre Position überdenken«, meint ein Mitarbeiter der Bush-Administration gegenüber der New York Times, ebenso wie »wir ihnen nie klar gemacht haben, welche schlimmen Dinge der US-Präsident bewirken kann, wenn sie beginnen, Nuklearwaffen zu produzieren«.

Allerdings haben die USA gegenüber Nordkorea keine wirklich starken Argumente. Wenn das asiatische Land nun das Moratorium ballistischer Raketentests kündigt, vollzieht es nur einen Schritt, den die USA längst hinter sich haben.