Friedenstauben auf dem Dach

In der PDS wird darüber diskutiert, ob im Falle einer deutschen Zustimmung zum Irakkrieg die Koalitionen mit der SPD in Berlin und Mecklenburg- Vorpommern gekündigt werden sollen. von ivo bozic
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Schon immer arbeitete die PDS leidenschaftlich an dem Image, die Friedenspartei in Deutschland zu sein. Mit ihren Friedenslosungen konnte sie vor allem viele junge Leute für sich interessieren. Im Bundestag sorgte sie in dieser Frage in der einen oder anderen Debatte sogar für so etwas wie Opposition. Im Wahlkampf aber stahl Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seiner Ablehnung eines Krieges gegen den Irak der PDS die Show und trug dazu bei, dass die Demokratischen Sozialisten nicht mehr in den Bundestag kamen. Nun, nachdem der Kanzler Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen lässt, schlägt wieder die Stunde der PDS.

Man streitet um die Frage, wie sich die Minister und Senatoren der Partei in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin verhalten sollen, wenn es unter deutscher Beteiligung zum Krieg gegen den Irak kommen sollte. Der Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch erklärte bereits: »Die Sozialdemokraten müssen in Betracht ziehen, dass es auch zu Konsequenzen auf Landesebene kommen kann.« Und in einem Anflug von Größenwahn fügte er hinzu, die PDS müsse »alle Formen des Druckpotenzials auf die SPD ausschöpfen, damit ein möglicher Krieg noch abgewendet wird«.

Diplomatischer verhält sich die Parteivorsitzende, Gabi Zimmer. »Sollte sich Deutschland direkt oder indirekt an einem Angriffskrieg gegen den Irak beteiligen, werden mögliche Konsequenzen für die Regierungen in Berlin und Schwerin von den PDS-Landesverbänden vor Ort entschieden«, sagte sie.

Eindeutige Worte fanden hingegen die Kommunisten in der PDS. Sahra Wagenknecht, Sprecherin der Kommunistischen Plattform und Mitglied des Vorstands der PDS, sagte, sollte sich Deutschland in irgendeiner Form an einem »Irak-Feldzug der Amerikaner« beteiligen, dann müsse dies »sofort zum Ende von Rot-Rot führen«. Mit »Kriegstreibern« dürften Sozialisten keine Koalitionen eingehen.

Aber auch der sächsische Fraktionsvorsitzende Peter Porsch will die Kriegsfrage mit dem Fortbestand der Koalitionen auf Landesebene verknüpfen. Wenn die Bundesregierung im Sicherheitsrat der Uno für einen Militärschlag votierte, wäre es offensichtlich, dass man es mit einer SPD zu tun habe, »in der das Ja zu einem Krieg offenbar verwurzelt ist«. Und der Brandenburger PDS-Vorsitzende Ralf Christoffers fügte hinzu, in diesem Fall sei »der Grenzwert der politischen Kooperation erreicht«.

Dagegen warnten der Europaabgeordnete André Brie, die Bundestagsabgeordnete Petra Pau und der ehemalige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch vor einem Ausscheiden aus den beiden Landesregierungen. Bartsch nannte die Diskussion »absurd«. Brie meinte, ein Koalitionsbruch habe nichts mit dem Widerstand gegen einen Irakkrieg zu tun. Die PDS würde sich vielmehr in eine »Selbstisolation« begeben. Pau erklärte, es sei sehr fraglich, ob ein Ausstieg aus den beiden Landesregierungen den Frieden zurückbrächte.

Damit dürfte sie ebenso Recht haben wie mit ihrer Befürchtung, dass die PDS bei einem Ausstieg aus den Koalitionen ihre nach der Bundestagswahl ohnehin begrenzten Einflussmöglichkeiten leichtfertig aufgeben könnte.

Auch der außenpolitische Sprecher der PDS, Wolfgang Gehrcke, der immer und überall gegen einen Krieg argumentiert, ist Realpolitiker genug. Man könne in einem Kriegsfall natürlich nichts ausschließen, »aber verbale Drohgesten ersetzen keine Politik und sind kontraproduktiv«, sagte er. Die PDS dürfe sich nicht mit internen Auseinandersetzungen blockieren, die in der Friedensbewegung nur noch mit Kopfschütteln bedacht würden. Er forderte die Minister und Senatoren der PDS auf, sich »aktiv und sichtbar« an der Friedensbewegung zu beteiligen.

Auch in den Landesverbänden in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ist man wenig geneigt, wegen einer möglichen Beteiligung Deutschlands am Krieg die Koalitionen platzen zulassen. An der Spitze der Partei und der Fraktion in Berlin ist man sich einig. »Verteidigungspolitik ist nach geltendem Verfassungsverständnis nicht Sache der Bundesländer«, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf. Und die Fraktionssprecherin Kathi Seefeld erklärte völlig plausibel: »Letztlich ist allen klar, dass wir keinen Krieg verhindern, wenn unsere Senatoren zurücktreten.«

Ähnlich sieht man das verständlicherweise auch in Mecklenburg-Vorpommern. Was nützt es schon, Mitglied einer Friedenspartei zu sein, wenn man wieder auf den Oppositionsbänken Platz nehmen muss? Der Landesvorsitzende Peter Ritter sagte, die Bundesregierung ließe sich von einem Bruch der rot-roten Koalitionen »nicht beeindrucken«. Und die Fraktionsvorsitzende Angelika Gramkow warnte ihre Partei davor, angesichts des drohenden Irakkrieges »mit der Regierungsbeteiligung zu spielen«.

Dabei gibt es in Mecklenburg-Vorpommern einen Parteitagsbeschluss vom 2. November, der lautet: »Im Falle des Bruchs der Wahlversprechen des Bundeskanzlers und der Bundesregierung, weder an einem Krieg des amerikanischen Präsidenten George W. Bush gegen den Irak teilzunehmen noch ihn in einem solchen Fall logistisch zu unterstützen, legen die gewählten Minister der PDS sofort ihre Ämter nieder. Eine außerordentliche Tagung des Landesparteitages berät und beschließt über die Fortführung der Koalition.«

Ritter erklärte, dass ein Sonderparteitag in einem solchen Fall »innerhalb kürzester Zeit einberufen« werde, und die Minister der PDS bis zum Parteitag im Amt bleiben könnten. Der Ehrenvorsitzende der PDS, Hans Modrow, forderte ein ähnliches Verfahren in Berlin.

Alles in allem gibt die PDS ein widersprüchliches Bild ab. Einerseits will sie eine Antikriegspartei bleiben, andererseits verlöre sie mit einem Ausscheiden aus den Landesregierungen die letzten verbliebenen Plattformen, um überregional politisch wirksam zu werden.

Dieser Widerspruch zeigt sich allenthalben. So hat Wolfgang Gehrcke am 16. Dezember zwar seinen Glauben an die deutsche Justiz bekräftigt und eine Strafanzeige gegen Bundeskanzler Schröder wegen der angeblichen Beteiligung an der Vorbereitung eines Angriffskrieges gestellt. Doch inzwischen bekam der Kanzler auch einen höflichen Brief von den sechs Ministern und Senatoren der PDS.

Unter der pathetischen Überschrift »Frieden ist unser aller Gut« wird Schröder gebeten, doch bitte seine »Entscheidungen, was die Nutzung des deutschen Luftraumes und der US-Militärbasen in Deutschland angeht, zu überdenken«. Außerdem machen die Minister klar, dass für die Außenpolitik »selbstverständlich« der Bund zuständig sei: »Wir sprechen nicht für die Landesregierungen, denen wir angehören. Wir sprechen für uns.« Am Ende ist ihnen der Spatz in der Hand doch lieber als die Friedenstaube auf dem Dach.