Flüchten und shoppen

EU-Asylpolitik

Glaubt man den Verlautbarungen der europäischen Innenminister, gleicht die Flucht von Menschen aus Krisengebieten einer gemütlichen Einkaufstour. Beim Bummeln unterziehen Flüchtlinge das Asylangebot der europäischen Staaten zunächst einmal einem fundierten Preisvergleich. Gewiefte Asylshopper tauschen schon zu Hause oder spätestens im überfüllten Flüchtlingstransport die notwendigen Infos aus, werfen ihren Pass über Bord und testen dann das Angebot, bis sie schließlich ihren Wunschort gefunden haben.

»Asylshopping« heißt diese beliebte Freizeitbeschäftigung von Flüchtlingen aus aller Welt. Eine Bezeichnung, die anfangs etwas verpönt war, heute zwar nicht weniger rassistisch ist, dafür jedoch in nahezu allen Medien sowie auf Ministertreffen etabliert. Luxemburgs Justizminister Luc Frieden merkte auf dem Vorbereitungstreffen zum EU-Gipfel 1999 in Tampere an, dass allein schon »le problème de l’asylum shopping« es rechtfertige, dass sich die 15 EU-Staaten ein einheitliches Asylsystem verpassen.

Doch lange bevor die Vereinheitlichung des Aufnahme- und Asylverfahrens in den EU-Staaten verwirklicht ist, wird schon der gemeinsame Repressionsapparat modernisiert. Seit dem vergangenen Mittwoch ist es nun so weit. Im ersten »European Automated Fingerprint Identification System« (AFIS) werden Fingerabdrücke von Asylsuchenden und »bestimmte Kennzeichen von illegalen Immigranten« gespeichert.

Stellt ein Flüchtling einen Asylantrag, werden seine Fingerabdrücke abgescannt und zur Zentrale des Eurodac-Systems nach Luxemburg geschickt. Innerhalb weniger Stunden wissen die Beamten dann Bescheid, ob er bereits in einem anderen Land einen Antrag gestellt hat.

6,5 Millionen Euro ließ sich die EU die zentrale Datenbank kosten, die die biometrischen Daten Asylsuchender 14 Jahre lang speichert. Wie viele dadurch beim Asylshopping erwischt werden, ist unklar. Denn bislang weiß niemand, wie viele Anträge auf Asyl in der EU doppelt oder dreifach gestellt werden. Offiziell sprechen die Experten der EU-Kommission von »zehn bis 20 Prozent« der jährlich gestellten 400 000 Asylanträge. Dabei unterschlagen sie, dass sich die Anzahl der Asylsuchenden in der EU in den vergangenen zehn Jahren fast halbiert hat. Im Jahr 1992 wurden über 700 000 Anträge gezählt.

Was aber geschieht mit den Daten, wenn sich der Verdacht als unbegründet erweist? Die Antwort gab die EU-Kommission am Dienstag vergangener Woche in einem Pressekommuniqué. Für den Datenschutz seien alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden. Es würden keinerlei Angaben an die Polizei oder die Sicherheitsdienste weitergegeben. Dazu hat einer, der sich gerne in die europäische Asylpolitik einmischt, bereits vor Monaten deutliche Worte gesprochen. Der deutsche Innenminister Otto Schily erneuerte in der vergangenen Woche seine Forderung, Eurodac »für polizeiliche Zwecke zu öffnen«.

danièle weber, luxemburg