Es läuft wie geschmiert

In den USA wird wegen Korruption gegen Kasachstans Präsidenten Nasarbajew ermittelt. Prompt erklärte er 2003 zum »Jahr Russlands in Kasachstan«.

Das Große Spiel«, so wurde die Konkurrenz zwischen dem Britischen Empire und Russland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts um ihre Claims in Zentralasien genannt. Jetzt, da die USA das Erbe des Britischen Empire an so vielen Stellen der östlichen Hemisphäre angetreten haben und es nicht mehr um koloniale Besitztümer, sondern um Erdöl- und Erdgasvorkommen geht, wird dieser Ausdruck von vielen Beobachtern wieder verwendet. Besonders wichtig in diesem neuen »Großen Spiel« ist Kasachstan.

Allein im Rohstoffsektor dieses zentralasiatischen Landes wurden seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 mehr als 20 Milliarden Dollar investiert. Im flachen Küstengewässer des Kaspischen Meeres wurde Kashagan, das größte Ölfeld der letzten 30 Jahre, entdeckt. Es gibt nur ein anderes auf der Welt, von dem Experten glauben, dass es größere Reserven enthält. Und das liegt in Saudi-Arabien. Ein anderes, das kasachische Tengiz-Feld, zur Hälfte vom US-amerikanischen Konzern ChevronTexaco ausgebeutet, hat die viertgrößten Reserven der Welt. Wenn dort ab 2006 die Produktion voll entwickelt ist, wird es voraussichtlich so viel Öl liefern wie die gesamte Exportmenge eines mittleren Produzentenlandes. Je nachdem was im Irak passiert, dürfte Kasachstan dann in der Liga der größten Erdölexporteure der Welt auf den fünften oder sechsten Platz aufsteigen.

Kasachstan ist also der große Preis im Großen Spiel. Aber es ist auch das große Sorgenkind. Zumindest für die USA. Denn Kasachstan orientiert sich politisch gern an seinem nördlichen Nachbarn Russland. Im Norden siedelt eine große russische Minderheit, die immer wieder einmal die staatliche Unabhängigkeit bzw. den Anschluss an Russland forderte.

Außerdem steht der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew im Verdacht, äußerst korrupt zu sein. Zumindest wird gegen ihn in den USA ermittelt, weil er Schmiergeld von US-amerikanischen Ölkonzernen angenommen haben soll. Und diese Beschuldigung lastet nun auf den beiderseitigen Beziehungen.

Der gesamte Komplex, wie die Ölkonzerne an ihre Konzessionen und der Präsident Nasarbajew an mindestens eine Milliarde Dollar gekommen sein sollen, ist inzwischen als »Kazakhgate« bekannt. Öffentlich wurde das Ganze, als jüngere Politiker in Nasarbajews Regierung sich mit ihm überwarfen, offenbar weil er und seine Familie nichts abgeben wollten.

Ende des Jahres 2001 gründete der ehemalige Ministerpräsident Akezhan Kazhgeldin seine eigene Partei, die Demokratische Wahl Kasachstans, und plauderte Interna über die Verhandlungen mit den Ölfirmen aus. Zuvor hatte die kasachische Presse schon öfter über Nasarbajews geheime Schweizer Konten berichtet, aber erst im April 2002 musste schließlich der neue Ministerpräsident Imangali Tasmagambetow ihre Existenz einräumen.

Die eine Milliarde US-Dollar, die dort lagerte, so fügte er jedoch hinzu, stamme zwar aus Ölkonzessionen. Sie sei jedoch nicht zum persönlichen Gebrauch von Nasarbajew und seiner Familie gedacht, sondern als Reserve für das Land in schweren Zeiten, wenn der Ölpreis auf dem Weltmarkt wieder gesunken sei.

Das erscheint jedoch nicht nur Regierungskritikern unglaubwürdig. Denn zu diesem Zeitpunkt waren Nasarbajews Mauscheleien schon gerichtsnotorisch. 1996 wurde in Seoul der Vorstandsvorsitzende einer großen südkoreanischen Versicherungsgesellschaft verurteilt, weil er einen Mitarbeiter beauftragt hatte, Nasarbajew zehn Millionen Dollar zu übergeben. Damit wollte er sich bessere Geschäftschancen verschaffen, sagte der Versicherungsmanager.

Und auch die Ermittlungen gegen Nasarbajew in den Vereinigten Staaten wegen der Annnahme von Schmiergeld in den neunziger Jahren sprechen gegen die Version der kasachischen Regierung. Nach Erkenntnissen des US-Justizministeriums ließ sich Nasarbajew von drei Ölkonzernen insgesamt 115 Millionen Dollar über Offshore-Banken auf das Konto eines Schweizer Geldinstitutes in New York überweisen. Außerdem, so berichtete die New York Times Mitte Dezember, habe die kasachische Regierung bis zuletzt versucht, den Vizepräsidenten Dick Cheney und andere Regierungsmitglieder zu nötigen, die Ermittlungen einzustellen. Offensichtlich vergebens.

Dass sie geglaubt zu haben scheint, die US-Administration könne ein Verfahren vor einem Bundesgericht stoppen, die Exekutive könne also einfach in den Bereich der Judikative eingreifen, dürfte das Selbstverständnis der kasachischen Regierung widerspiegeln. In ihrem Land wäre das kein Problem.

Diese Vorstellung dürfte auch zu dem eigenartig anmutenden Schauspiel der vergangenen Monate geführt haben, in dem kasachische Regierungsvertreter den Eindruck erwecken wollten, sie suchten nach einer Alternative für das von den USA diplomatisch geförderte Projekt einer Pipeline durch Aserbaidschan, Georgien und die Türkei. Als glaubten sie ernsthaft, es fänden sich Investoren für eine kürzere Route durch den Iran; doch die Leitung an die türkische Mittelmeerküste wird mit dem aserbaidschanischen Öl allein wohl nicht ausgelastet sein, zudem hat Kasachstan schon längst mit Aserbaidschan verhandelt, um die Pipeline ab 2005, wenn sie voraussichtlich fertig gestellt sein wird, zu nutzen. Und Kasachstan wird dann selbst neue Transportkapazitäten brauchen.

Für die Regierung Bush sind die Ermittlungen im eigenen Land zum »Kazakhgate«-Komplex äußerst unangenehm. Hat sie mit der Grundsteinlegung der Pipeline von Aserbaidschan an die türkische Mittelmeerküste im vergangenen Herbst noch einen ersten sichtbaren Sieg im Großen Spiel verbucht, wird Kasachstan nun wieder in die Arme des russischen Rivalen getrieben.

Prompt erklärte Nasarbajew das Jahr 2003 zum »Jahr Russlands in Kasachstan«. Und vom Weltwirtschaftsforum in Davos, das Ende Januar stattfand, wurde gemeldet, dass Nasarbajew und der russische, staatlich dominierte Ölkonzern Lukoil gemeinsam die weitere geologische Erkundung des kasachischen Teiles des Kaspischen Meeres vorantreiben wollen.

Aber es bahnt sich noch mehr Unheil an. Dick Cheney, vor seiner Zeit als Vizepräsident noch Leiter des Ölkonzerns Haliburton, wird sich möglicherweise bald selbst unangenehme Fragen von den Justizbehören im Zusammenhang mit »Kazakhgate« anhören müssen.