Grand Prix der Sparmaßnahmen

Die taz überlegt, ihre Lokalredaktionen neu zu strukturieren oder ganz aufzugeben, um Geld zu sparen. Dagegen formiert sich Widerstand in der eigenen Redaktion. von wibke bergemann

So sind sie, die Publizisten. Sie publizieren, plaudern alles aus und decken dabei Missstände auf. Manchmal auch in eigener Sache. Ziemlich ungewöhnlich jedoch ist es, wenn eine Redaktion gegen den eigenen Verlag schreibt.

Unter der Überschrift »Entwicklung oder Abwicklung?« machten am vergangenen Freitag die Lokalredakteure der taz-Hamburg interne Streitigkeiten öffentlich. Es geht dabei um die Zukunft der Lokalteile in Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Nach der Darstellung der taz-Hamburg plant die Geschäftsführung, die Lokalteile gemeinsam mit der Digitaz und Le Monde Diplomatique in eine eigene Gesellschaft auszulagern.

Um Kosten zu sparen, sollen nach Angaben der taz-Hamburg die Hamburger und die Bremer Lokalteile zusammengelegt werden, sodass sich für beide Redaktionen die Seitenzahl auf jeweils zwei halbieren würde. Die Hamburger wittern eine »publizistische Verarmung« durch die angestrebten Maßnahmen und sehen in den Plänen eine »Zwischenstation zur Abwicklung«.

Man habe lange überlegt, bevor man sich zu dem ungewöhnlichen Schritt entschlossen habe, derartige taz-Interna publik zu machen, sagt der Hamburger Lokalredakteur Peter Ahrens. Offenbar hat man sich außerdem für einen Alleingang entschieden. Die Bremer Kollegen waren am Freitag zu keiner Stellungnahme über das Vorpreschen der Hamburger Redaktion bereit.

Anders in Berlin, wo die Geschäftsführung sichtlich verärgert war. Die Hamburger versuchten, in der Öffentlichkeit Stimmung zu machen, so der Geschäftsführer Andi Bull. Die komplizierten Diskussionen über verlegerische Konzepte könnten nicht öffentlich geführt werden.

Zudem bestreitet Bull, dass die Zusammenlegung bereits beschlossen sei. Tatsächlich gebe es bisher noch keine fertigen Konzepte, über die entschieden werden könnte. Die Frage einer Zusammenlegung müsse neben anderen Modellen, durch die sich Kosten senken ließen, mit allen Beteiligten diskutiert werden. »Schließlich gibt es bei der taz keine grünen Kämmerlein, in denen irgendetwas entschieden wird«, so Bull. Allerdings will die Geschäftsführung eine verstärkte Zusammenarbeit der beiden Lokalredaktionen anregen.

Die Zusammenlegung der taz-Bremen und der taz-Hamburg sei nur einer von mehreren Plänen, sagt auch ein Vorstandsmitglied über die lokalen taz-Redaktionen. »Die haben im letzten Jahr ein ziemliches Defizit eingefahren.« Nun müssten sie dafür sorgen, ihre Kosten zu senken. Allerdings sind die taz-Hamburg und die taz-Bremen auch stärker von den Einbrüchen auf dem Anzeigenmarkt, unter denen derzeit alle Zeitungen leiden, betroffen. Denn die Lokalredaktionen finanzieren sich zu 50 Prozent durch Anzeigen, beim Hauptteil der Zeitung liegt der Anteil nur knapp über zehn Prozent.

Doch nicht allein die Zusammenlegung der Lokalteile bereit den Hamburgern Sorgen. Auch die Pläne zur Einrichtung einer Entwicklungsgesellschaft GmbH & Co KG, zu der die Lokalteile Hamburg, Bremen, NRW sowie die Digitaz und Le Monde Diplomatique gehören werden, sorgt für Aufregung.

Die Geschäftsführung reagiert auch darauf nur mit Unverständnis. Für die Arbeit in den Redaktionen werde sich nichts verändern, versichert Bull. Immerhin bleibt die Entwicklungsgesellschaft innerhalb der taz-Genossenschaft. Von einer Auslagerung könne daher keine Rede sein. Ihn erinnert die Auseinandersetzung an den Streit von 1994, als die taz-Hamburg Pleite ging und daraufhin mit der taz-Bremen unter die Obhut der Nord GmbH geriet. Damals seien ganz ähnliche Töne angeschlagen und ähnliche Sorgen geäußert worden, die sich im Nachhinein als unberechtigt erwiesen hätten.

Unberechtigte Sorgen? Bei der Gründung der Nord GmbH verloren im Zuge der Rationalisierungsmaßnahmen fünf Mitarbeiter der taz-Hamburg ihren Job. Darüberhinaus verweisen die Hamburger auf einen großen Unterschied zwischen der Zusammenlegung damals und den derzeitigen Plänen: Die Nord GmbH ist eine hundertprozentige Tochter der Genossenschaft geblieben.

Die geplante Entwicklungsgesellschaft soll jedoch eine Co KG werden, die Genossenschaft würde nur noch zum Teil beteiligt sein. Durch die Änderung der Rechtsform könnte zusätzliches Kapital erworben werden. Die Geschäftsführung und der Vorstand hoffen, dass so unter anderem der Lokalteil in Nordrhein-Westfalen, der bisher nur wöchentlich erscheint, ausgebaut werden kann.

Zusätzliche Einnahmen begrüßen auch die Hamburger Lokalredakteure. Und gleichzeitg fürchten sie, die Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft könne zugleich ein bequemer Weg sein, sich des Lokalteils zu entledigen. Denn sollte die taz-Hamburg in Zukunft eingestellt werden, würde die Genossenschaft nur noch mit ihrem Gesellschaftskapital haften. Eine Auflösung des Lokalteils würde für die taz dann vergleichsweise billig sein.

Daher fordern die Hamburger zumindest die Zusicherung, dass sie bei einem Scheitern der Entwicklungsgesellschaft wieder in die Genossenschaft geholt werden. »Wir wollen nicht schlechter gestellt sein als unsere Kollegen in Berlin«, begründet der Lokalredakteur Ahrens die Forderung. Doch eine solche Zusicherung will die Berliner Geschäftsführung nicht geben. Ein Sozialplan, wie ihn die Hamburger fordern, gebe es nicht in der taz. Wer die chronischen Geldsorgen der Tageszeitung kennt, wisse, dass man hier noch immer »von der Hand in den Mund« lebe, so Bull. In so einer Situation könne man keine Zusicherungen für die Zukunft machen.

Das Verhältnis zwischen der Hamburger Lokalredaktion und der Geschäftsführung scheint nachhaltig verdorben. Die Hamburger klagen, dass eine bei ihnen frei gewordene Stelle nicht mehr besetzt wird. Dass der Einstellungsstopp nicht nur die Lokalredaktion betrifft, sondern in der gesamten taz gilt, kümmert sie nicht.

Gestritten wird sogar über die Form, in der die Verhandlungen zwischen Berlin und Hamburg bisher verlaufen sind. So wirft die taz-Hamburg in ihrer Freitagsausgabe unter anderem den Berlinern vor, nur durch Zufall von dem Beschluss zur Gründung der Entwicklungsgesellschaft erfahren zu haben.

Auf der jährlichen Genossenschaftsversammlung im vergangenen September wurde die Entscheidung öffentlich bekannt gegeben. Eine Redakteurin aus Hamburg sei »nur zufällig« anwesend gewesen, so Ahrens. »Das kam sehr plötzlich.« Die Geschäftsführung bestreitet den Vorwurf. Natürlich habe man die Hamburger schon im Voraus informiert, sagt Bull.

Die Hamburger betonen derweil ihre Bedeutung für das gesamte Blatt, sie seien ein »wesentliches Standbein«. Denn immerhin 25 Prozent der Auflage werden in den beiden nördlichen Stadtstaaten verkauft. Dem Aufsichtsrat haben die Lokalredakteure mittlerweile ein Konzept vorgelegt, wie sich nach ihrer Ansicht die Erlöse steigern ließen, ohne die taz-Hamburg »kaputt zu sparen«.