Eiserner Gentleman

Westerwelles Angriffe auf die Gewerkschaften von regina stötzel

Das Problem Möllemann ist erst einmal entschärft. Am Dienstag der vorigen Woche wurde er aus der Bundestagsfraktion der FDP ausgeschlossen. Jetzt kann sich die Partei wieder ihren wichtigsten Anliegen widmen. Dazu gehört es zum Beispiel, die Gewerkschaften zu verunglimpfen.

»Eine Plage für Deutschland« seien diese, sagte kürzlich der Parteivorsitzende, Guido Westerwelle. Und das bestätigt er jedem, der es hören will, gerne noch einmal. »Ich sehe keine Veranlassung, meine Einschätzung zurückzunehmen«, schrieb er an den Vorsitzenden des DGB, Michael Sommer, und erklärte, dass er die Begrifflichkeit der Heiligen Schrift entnommen habe und nicht dem »Wörterbuch eines Unmenschen«, wie Sommer vermutet hatte.

Nun ist es ja nicht so, als erweckten die deutschen Gewerkschaften in den vergangenen Jahren den Eindruck, sie handelten als Interessenvertretung einer kämpferischen, die Revolution herbeisehnenden Arbeiterklasse. Aber zu behaupten, sie seien ungefähr so schlimm wie die Pest und die Blattern, wie Hagel, Finsternis oder gar tote Kinder, scheint doch übertrieben.

Von möglichen, noch schrecklicheren Deutungen seiner Aussage einmal abgesehen, lässt sich festhalten: Guido Westerwelle ist der Überzeugung, dass die Gewerkschaften der Bundesrepublik schaden. Solange nicht ihr Recht eingeschränkt und ihre Macht gebrochen sei, könnten die verdorrten Landstriche der Republik nicht wieder zum Blühen gebracht werden.

In seiner Erklärung zum Abschluss der Tarifverhandlungen zwischen Verdi und den Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes drückte Westerwelle am 10. Januar noch deutlicher aus, welche Zukunftspläne er hat. Verdi habe sich »gemeinwohlschädlich« verhalten und überhaupt stehe »eine grundsätzliche Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften, wie sie in Großbritannien in den achtziger Jahren Margaret Thatcher mit Arthur Scargill geführt hat«, bevor. »Die FDP ist zu dieser Auseinandersetzung bereit.«

Er bezog sich auf einen der längsten und erbittertsten Arbeitskämpfe in der Geschichte Großbritanniens. Über ein Jahr lang streikten die Bergarbeiter, um die Schließung ihrer Minen und die Einschränkung ihrer Rechte zu verhindern. Die damalige Premierministerin Margaret Thatcher setzte die Polizei und das Militär gegen die Streikposten der National Union of Mineworkers ein, deren Vorsitzender Arthur Scargill war, bezahlte Streikbrecher und gewann schließlich.

Dass Guido Westerwelle von der Rolle des »eisernen Gentleman« Deutschlands träumt, kann man sich vorstellen. Nur zu gern würde er derjenige sein, der die »Blockade« der Gewerkschaften gegen eine moderne Wirtschaftspolitik in seinem Sinne durchbricht, und als der große Reformator gelten. Das Land müsse wieder nach vorn, müsse in Bewegung gesetzt werden, in einem »nationalen Kraftakt«, dem sich die Gewerkschaften nicht entgegenstellen dürften. Dieses und ähnliche Bilder werden derzeit von Gegnern der Gewerkschaften bemüht. Das klingt progressiv.

Hinter der vermeintlichen Progressivität aber verbergen sich die Abkehr von Flächentarifen, die Aushöhlung des Arbeitsrechtes und der Abbau des Sozialsystems. Wer versucht, diese sozialen Errungenschaften zu verteidigen, liegt zumindest nicht ganz falsch. Sollten die Gewerkschaften es schaffen, »die Notbremse zu ziehen«, wäre das ein Grund zur Freude, auch wenn es noch nicht sehr progressiv klänge.