Bilder, stillgestanden!

Remake von »Solaris«

Manchmal liebt man den Stillstand. Eine ganze Weile war »Dawson’s Creek«, die Fernsehserie über ein paar Jugendliche in einem verschlafenen US-Nest, meine Lieblingssendung – Action fehlte total, und das Erzähltempo konnte sich getrost mit dem von »Ulysses«, dem »Mann ohne Eigenschaften« oder dem Gesamtwerk von Doris Lessing messen. Gut, es gibt Grenzen: Zu den Leuten, die sich gern Andy Warhols »Empire State Building« in der Acht-Stunden-Version ansehen, gehöre ich nicht.

Dennoch glaube ich, gute Voraussetzungen zu haben, um Steven Soderberghs Film »Solaris« auszuhalten. In seinem Tarkowskij-Remake bewegt sich selbst der sonst so rasante George Clooney schnell wie das große graue Krokodil im Terrarium des Berliner Zoos. Nur so viel: Dort ist es üblich, dass die Besucher Münzen auf die Tiere werfen. Die, die auf dem grauen Krokodil liegen, müsste das Tier mittlerweile bei der Landeszentralbank umtauschen.

Soderberghs Anliegen ist es, zwei Stunden totalen Ruhezustand zu kreieren. Die Geschichte des Astronauten Chris (George Clooney), der im All von der unverarbeiteten Trauer um seine Frau Reya (Natasha McElhone) eingeholt wird, stellt keine Fragen, kann sie darum auch nicht beantworten, und am Schluss steht die Ratlosigkeit der geborgten Szene: eine Geste aus Stanley Kubricks »2001«, der hier öfter zitiert wird, weil ein einziger Science-Fiction-Film offenkundig nicht als Vorlage reicht. Nicht einmal für ein neues Bild hat »Solaris« Platz.

Und so sehen wir, was es bedeutet, von Geborgtem zu leben: geborgte Oberflächen, geborgte Farben, geborgtes Raumschiff. In diesem Film gehört eben nichts sich selbst, und die zitierten Dinge werden auch niemandem zurückgegeben. Wie zum Beweis, dass Zeichen nicht Zeichen sind, haben wir immer wieder den Umschnitt auf den Planeten, auf dem die Kamera minutenlang ruht.

Wenn Chris glaubt, es seien seine Erinnerungen, die ihn heimsuchten, so ist auch das geflunkert. Die der Crew-Kameraden schauen ebenso real vorbei. Mit dem toten kleinen Jungen seines Freundes kann er sich noch am ehesten abfinden. Es ist wie mit der Sonde »Voyager«, die in der ersten Folge der »Star Trek«-Spielfilme auf einem Maschinenplaneten ins Unermessliche aufgeblasen wurde und nun alles einsammelt, was im All rumliegt: Soderbergh zitiert einen Film, der wiederum den Roman von Stanislaw Lem zitiert, und baut daraus eine gigantische Oberfläche aus Zeichen. Das zeitigt Wirkung und lässt sich – wie’s hier geschieht – auch nur mit geliehenen Vorstellungen beschreiben.

Am wenigsten hat das Nichts irgendwelche Perspektivwechsel zu bieten. Wie das Nichts kennt dieser Film nur eine Einstellung. Gut für das Nichts, schlecht für einen Film: Ein rasantes Medium mit oft rasantem Publikum wird ausgebremst.

»What a jerk« – welch ein Blödmann, beschimpfte George Clooney einen Kritiker, nachdem der eine kritische Frage gestellt hatte. Dreh’ doch erst mal selbst einen Film. Das ist das Positive, was man über »Solaris« sagen kann. Er setzt Ärger frei. What a jerk, dass ich in dem Film war.

jürgen kiontke

»Solaris«. USA 2002. R: Steven Soderbergh. Start: 6. März