Den Bluthund denunzieren!

in die presse

Eine Nachricht aus dem März 1933, Adolf Hitler war wenige Wochen zuvor Reichskanzler geworden: »Nach einer Meldung der Berliner Volkszeitung soll der Herr Reichskanzler in einer Rede geäußert haben, ein hoher dem Abbau anheim gefallener preußischer Beamter habe den Reichskommissar für das preußische Innenministerium gebeten, er möge ihn doch im Amte belassen. Der Reichskommissar habe aber dem Bittsteller bedeutet, das neue System trenne eine Welt von jenen Anschauungen, die der Petent bisher vertreten habe. Der Herr ließ sich aber nicht abweisen, sondern bat, ihn wenigstens bis zum Oktober zu beurlauben, da er dann ja sowieso die Altersgrenze erreicht haben werde. Der Reichskommissar habe diese Bitte dann erfüllt. Die Volkszeitung setzt dem hinzu, es habe sich dabei um Herrn Noske gehandelt.« Der wiederum war bis 1920 Reichswehrminister, und Sozialdemokrat war er sein Leben lang.

Die Meldung, wie der selbst ernannte »Bluthund« vor den Nazis den devoten Pudel gab, findet sich in der Weltbühne, Nr. 10/33 vom 7. März 1933. Es war die letzte Ausgabe des Berliner Blattes, vor genau 70 Jahren wurde sie verboten.

Gegründet 1905 als Schaubühne von Siegfried Jacobsohn, der sie auch jahrelang leitete, wurde sie ab 1918 zur Weltbühne. Nach Jacobsohns Tod im Jahr 1926 wurde sie für eine kurze Zeit von Kurt Tucholsky herausgegeben, ehe Carl von Ossietzky die Leitung übernahm. Mit großen Auflagen konnte sie nie reüssieren, ungefähr 16 000 Leser sollen es höchstens gewesen sein. Aber kaum einer erinnert sich heute an die Vossische Zeitung, wenige nur an die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung, die Weltbühne jedoch war die wichtigste Zeitung der Weimarer Republik. Sie war es wegen ihrer politischen und literarischen Qualität. Nach ihrem Verbot im Jahr 1933 wurde sie von Hermann Budzislawski in Prag als Neue Weltbühne weitergeführt. Später erschien sie in der DDR, eingestellt wurde sie im Sommer 1993. Aber einen ähnlichen Einfluss wie in der Weimarer Republik konnte sie nie wieder gewinnen.

martin krauss