Mit Satan oder Saddam

Das iranische Regime befürchtet eine Stärkung der USA durch einen Irakkrieg, hofft aber auch auf mehr Einfluss im Nachbarland nach dem Sturz Saddam Husseins. von wahied wahdathagh

Die Folgen des achtjährigen Krieges gegen den Irak in den achtziger Jahren sind im Iran noch nicht vergessen. Angesichts der Proteste zahlreicher Parlamentarier gegen zu enge Beziehungen zum Irak hatte Präsident Mohammad Khatami deshalb angekündigt, den für Januar geplanten Besuch des irakischen Außenministers Naji Sabri von der Zahlung einer Kriegsentschädigung von mehr als 100 Milliarden US-Dollar abhängig zu machen. AberAnfang Februar wurde Sabri dann auch ohne Geldkoffer in Teheran empfangen.

Die Irakpolitik des islamistischen Regimes ist widersprüchlich, man betrachtet den Konflikt mit gemischten Gefühlen. Der inzwischen wahrscheinlich gewordene Krieg könnte die Position der USA in der Region stärken und zu einer dauerhaften US-Militärpräsenz an der Westgrenze des Iran führen. Mohssen Mirdamadi, Vorsitzender der Kommission für nationale Sicherheit und Außenpolitik des iranischen Parlaments, fasst die Sorgen der Ayatollahs in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Isna zusammen. Einen Angriff auf den Irak sieht er nur als Bestandteil einer weiter reichenden Strategie, die zunächst vor allem auf Syrien zielen werde. Er befürchtet auch ökonomische Verluste: »Der Ölmarkt wird sich stark ändern. Wenn Irak mehr Öl exportieren wird, werden Saudi-Arabien und Iran große Probleme bekommen. Die USA könnten so stark im Irak investieren, dass die Opec de facto geschwächt würde.«

Mirdamadi empfiehlt eine neutrale Haltung, und der Iran ist einer solchen Linie bislang auch gefolgt. So hat sich das Regime zwar immer gegen den Krieg ausgesprochen, ist aber auch bemüht, die USA nicht zu provozieren. Die Ayatollahs geben ungern zu, dass sie mit dem »großen Satan« verhandeln. Erst jüngst dementierten sie einen Bericht der Washington Post, wonach sich US-Beamte bereits heimlich mit iranischen Diplomaten getroffen haben, um eine Nicht-Einmischungsvereinbarung zu treffen.

Zumindest haben die beiden verfeindeten Staaten jetzt einen gemeinsamen Verbündeten: den von Ayatollah Baqir Hakim geführten Obersten Rat der islamischen Revolution (Sciri), der seinen Sitz in Teheran hat, aber auch an den Verhandlungen der irakischen Opposition mit der US-Regierung über eine Nachkriegsordnung beteiligt ist. Und Ahmad Chalabi, der Vorsitzende des Oppositionsverbandes Iraqi National Congress (INC), besitzt in Teheran eine Villa, die nach Informationen der New York Times vom US-Außenministerium finanziert wird.

Ein Regimewechsel in Bagdad könnte vom Iran aber auch genutzt werden, um seine hegemonialen Ansprüche in der Region durchzusetzen. Diese Ansprüche dürften allerdings mit den Interessen der USA kaum in Übereinstimmung zu bringen sein, denn dem Iran geht es vor allem darum, eine Dominanz der USA im Irak und in der Region zu verhindern. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen vor allem die schiitischen Islamisten mobilisiert werden.

Die Mehrheit der irakischen Bevölkerung gehört der schiitischen Konfession an. Doch nur wenige wünschen eine Abhängigkeit vom Iran, schiitische Organisationen wie die Da’wa-Partei halten Distanz zu Teheran. Der Oberbefehlshaber der auf 30 000 Soldaten geschätzten Sciri-Truppen allerdings ist ein General des iranischen Revolutionskomitees der Pasdaran, einer islamistischen Miliz. Die gut bewaffnete Truppe wurde vom Iran ausgebildet und finanziert. Mindestens 5 000 Sciri-Soldaten sind seit zwei Wochen im autonomen Nordirak stationiert, was eine Abkehr von der offiziell verkündeten Neutralität ist und ein Signal, dass man eine Berücksichtigung iranischer Interessen bei der Machtverteilung nach dem Sturz Saddam Husseins erwartet.

Doch obwohl sich Vertreter der US-Regierung in den vergangenen Wochen relativ konziliant über den Iran äußerten, bleibt das Misstrauen groß. Denn es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass das iranische Regime islamistische Gruppen in der Region unterstützt und Kontakte zum al-Qaida-Netzwerk hat. Nach Angaben von Mohammad Salamati, dem führenden Kopf einer islamistischen Gruppierung im Iran, unterhalten verschiedene Kommandanten der Pasdaran und Mitglieder des Informationsministeriums regen Kontakt zur Kommandoebene von al-Qaida.

Hamid Reza Zakiri, ein kürzlich übergelaufener hoher Offizier und Direktor der Geheimdienstabteilung der Revolutionsgarden, der direkten Zugang zum Sicherheitsbüro des religiösen Führers Ali Khamenei gehabt haben soll, berichtete der in London erscheinenden Zeitung al-Sharq al-Awsat nicht nur von einer Zusammenarbeit der Revolutionsgarden und des Geheimdienstes mit Saddam Husseins Regime und palästinensischen und ägyptischen Terrororganisationen. Auch sprach er von Kontakten zwischen al-Qaida-Führern und iranischen Militärkommandanten. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums dementierte diese Informationen jedoch umgehend. Unter starkem Druck stehend, gab der Iran schließlich zu, über 500 al-Qaida-Mitglieder ausgewiesen zu haben.

Eine operative Zusammenarbeit der iranischen Islamisten mit al-Qaida mag damit noch nicht bewiesen sein, sicher aber ist, dass der Iran mit Hilfe islamistischer Gruppen seinen Einfluss in der Region ausbauen will. Die Unterstützung der libanesischen Hizbollah wird nicht bestritten, und auch der Terror der palästinensischen Hamas gilt dem iranischen Regime als legitimer Widerstand. Der afghanische Islamist Gulbuddin Hekmatyar, der mit seinen Kämpfern über Jahre im Iran stationiert war, verließ das Land zwar im vergangenen Jahr, um seinen Krieg gegen den Westen in Afghanistan wieder aufzunehmen. Er gilt aber weiterhin als Verbündeter des Iran.

Nach Einschätzung des Think Tanks International Crisis Group unterstützt der Iran auch kurdische Islamisten im Nordirak.

Nicht nur für das Kräfteverhältnis innerhalb der westlichen Welt, sondern auch für die Machtverteilung in der Region selbst ist der Ausgang des Irakkonflikts von entscheidender Bedeutung. Neben der Türkei ist es derzeit vor allem der Iran, der sich eine gute Position sichern möchte. Die befürchtete Einkreisung durch die USA zu hintertreiben, ohne eine Konfrontation zu riskieren, und die Nachkriegsordnung zu beeinflussen, ohne ideologisches Kapital zu verspielen, sind allerdings nur schwer zu vereinbarende Ziele.