Redet rational!

Der letzte linke Student XXII

Alles, was der Fall ist, ist die Welt. Das weiß der letzte linke Student. Doch: Was ist der Fall? Der Fall ist die Tatsache. Fall ist zum Beispiel, dass viele arbeitslos sind. Fall ist auch, dass die USA ganz Schlimmes planen. Allerdings: alle Welt ist gegen die USA. Was heißt: die USA selbst sind nicht der Fall. Sie sind ein Irrationalis. Weil: nicht mit der Welt. Also: keine Welt. Also: nicht der Fall. Der letzte linke Student kann die USA darum vernachlässigen.

Das ist Philosophie. Das ist sogar ganz genau: Logik. Der letzte linke Student macht gern Philosophie. Denn die: erklärt die Welt. Und mehr. Das macht schlau. Doch: nicht immer ist alles so einfach wie eben. Ja: Philosophie kann auch Kopfzerbrechen bereiten.

Etwa: wenn mal der soziale Zustand der Fall ist. In der Welt herrscht Elend. Das ist: ein bestehender Sachverhalt. Das Elend kommt: durch die Konzerne. Weil: die Gewinne machen. Der Arbeiter aber: der kriegt nichts. Und die Arbeiterin: kriegt auch nichts.

Wittgenstein sagt: »Das logische Bild der Tatsachen ist der Gedanke.« Und sagt auch: »Der Gedanke ist der sinnvolle Satz.« Ein logisches Bild ist hier: Wenn wer nichts kriegt, und wer anders kriegt alles, dann ist das ungerecht. Also: muss die Ungerechtigkeit beseitigt werden. Denn: Gerechtigkeit ist in der Welt, also der Fall.

Ungerechtigkeit ist kein logisches Bild und daher nicht der Fall. Ungerechtigkeit ist also: der Irrationalis. Und der Irrationalis wiederum: muss bekämpft werden. Denn er ist ja auch: u.a. die USA. Und noch ganz anderes Schlimmes.

Das macht alles Sinn. Doch: es ist zu abstrakt. Da fehlt: die Handlungsoption. Der letzte linke Student runzelt die Stirn. Heißt: er denkt nach. Weil: es muss eine Verquickung geben. Der letzte linke Student holt sein goldenes Notizbuch hervor. Denn: die besten Gedanken hat er beim Schreiben. Also schreibt er: »Ungerechtigkeit herrscht. Dabei ist Ungerechtigkeit nicht einmal der Fall, sondern bloß irrational. Wenn also das Irrationale aufhört, dann ist nur noch da, was der Fall ist, also das Rationale. Das Rat. wiederum ist gerecht, weil Gerechtigkeit Sinn macht. Mensch sollte also das Irrationale aufheben. Doch das Irr. fängt im Kopf an. Daher muss mensch lernen, das Irr. nicht mehr zu denken. Es wegzudenken, gewissermaßen. Und das geht nur mithilfe einer guten Moral. Das ist logisch.«

So schreibt der letzte linke Student in sein Notizbuch. Und sieht, dass es gut ist. Weil: gut klingt. Der letzte linke Student freut sich. Denn: er löst die Probleme immer von oben. Und bleibt nicht: im Kleinen stecken.

Man soll schweigen, wenn man nichts zu sagen hat, sagt Wittgenstein. Der letzte linke Student sollte nicht schweigen. Logik hilft ihm. Und auch wir sollten unsere Welt ordnen, auf dass wir endlich reden können.

jörg sundermeier