Alle sind aufgestellt

Sowohl auf irakischer, als auch auf westlicher Seite ist alles für einen Krieg vorbereitet. Nur George Bush senior will noch bremsen. von martin schwarz, wien

Optimismus ist oftmals lediglich ein Ausdruck für den Mangel an Information. Saddam Hussein ist optimistisch. Während die UN-Waffeninspektoren im Irak mittlerweile rund 70 der angeblich 120 vorhandenen Al Samud-II-Raketen zersägen ließen und damit die Verteidigungsbereitschaft des Landes schwächten, hat Saddam Hussein schon Ideen für ein Nachfolgemodell. »Ihr seid jetzt meine Samud-Raketen«, ließ der Diktator seiner Bevölkerung in der vergangenen Woche ausrichten. Im Übrigen hat er General Ali Hassan al-Majid, seit 1988 wegen seiner Rolle in den Gasangriffen auf die Kurden auch als »chemischer Ali« bekannt, mit dem Kommando über die südirakische Stadt Basra betraut.

Doch ganz sicher dürfte sich Saddam Hussein der Gefolgschaft seiner Bevölkerung nun auch wieder nicht sein. Im ganzen Land sind Mitarbeiter seiner Geheimdienste unterwegs, um mögliche Oppositionelle zu verhaften. Selbst sein eigener Clan ist von den wahrscheinlich letzten Säuberungen des Regimes betroffen. Saddams Halbbrüder Barsan el Tkriti und Watban el Tikriti wurden unter Hausarrest gestellt; beide verdächtigt er, seine Ablösung zu betreiben, um einen Krieg im letzten Moment zu verhindern.

Das aber dürfte erst ein Vorspiel jener regimeinternen Kämpfe sein, die bald in Bagdad stattfinden werden. Schon jetzt ist die Idee einer Pensionierung Saddam Husseins fester Bestandteil der Vorschläge diverser einflussreicher Vermittler.

Im Kreml koordiniert der ehemalige russische Premierminister Jewgeni Primakow die diplomatischen Bemühungen, einen Krieg in letzter Minute zu verhindern, und hat den Präsidenten der russischen Duma, Gennadi Seleznew, in der vergangenen Woche nach Bagdad entsandt, um Saddam Hussein eine Botschaft zu übermitteln: Ein Krieg könne »bedauerlicher Weise« nur dann verhindert werden, wenn Saddam Hussein zugunsten eines weniger belasteten Mitglieds seines Regimes abtritt.

Eine solche weniger belastete Person wäre möglicherweise der irakische Vize-Premier Tarik Aziz, der sich schon seit Monaten als Vertreter eines Regimes mit menschlichem Antlitz profilieren möchte. In einer zweiten Phase, so sieht es zumindest der russische Plan vor, sollten freie Wahlen organisiert werden.

Spätestens seit dem Mini-Gipfel der »Koalition der Willigen« auf den Azoren am Sonntag, an dem US-Präsident George W. Bush und die Premierminister von Großbritannien und Spanien, Tony Blair und José Maria Aznar, teilnahmen, ist aber auch die friedliche Abschiebung Saddam Husseins aufs Altenteil keine Lösung mehr. Erstmals hat Bush definitiv erklärt, die Erfüllung der UN-Resolution 1441, also die bedingungslose und vollständige Befreiung des Irak von Massenvernichtungswaffen, reiche nicht mehr aus. »Saddam Hussein kann das Land verlassen, wenn er an Frieden interessiert ist«, verlangt Bush nun.

Diese Forderung ist ein neues Element im diplomatischen Gerangel und taucht bislang in keiner einzigen UN-Resolution auf. Sie unterstreicht aber die überaus ambitionierten Pläne der drei auf den Azoren versammelten Staatsmänner. Sie haben faktisch den UN-Sicherheitsrat abgelöst und sind angetreten, den Irakkonflikt als Präzedenzfall für künftige geopolitische Herausforderungen aufzubauen. »Wir arbeiten zusammen für eine große Sache: Frieden und Sicherheit«, so Bush.

Auch der UN-Sicherheitsrat wurde ins Abseits gestellt. »Wir können nicht immer wieder zurück in den Sicherheitsrat gehen, denn genau deswegen hat Saddam ja seine Massenvernichtungswaffen noch«, meinte Tony Blair. Entscheidend für die künftige Beziehung der Vereinigten Staaten zu den Vereinten Nationen dürfte ein Satz George W. Bushs sein: »Wir werden künftig eine Lösung finden müssen für den Aufbau einer besseren Uno.« Aznar unterstrich die Führungsstärke des Trios jenseits demokratischer Empfindlichkeiten. »Wir sind uns der öffentlichen Meinung bewusst«, sagte er, fügte aber hinzu, dass die Staatsmänner nun Führungsstärke beweisen müssten.

Noch in der Nacht von Sonntag auf Montag versuchte Tony Blair, den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac zur Aufgabe seiner Veto-Drohung zu bewegen, denn eine UN-Resolution habe keine Aussicht auf Erfolg, wenn Frankreich sein Veto einlege. Der Vorschlag Frankreichs, den Inspektoren noch 30 Tage Zeit zu geben, wurde von der Bush-Administration gleich als »Rohrkrepierer« bezeichnet.

In Downing Street Nr. 10 wurde unterdessen an einem Drehbuch gearbeitet, wie Tony Blair doch noch zumindest eine moralische Legitimation für sich in Anspruch nehmen könnte, wenn Frankreich mit dem Veto ernst machte. Wenn zumindest neun der 15 Mitglieder für die Resolution mit einem klaren Ultimatum an Saddam Hussein stimmten und alles nur an einem Veto von Frankreich oder Russland scheitere, könne man das immer noch als klaren Willen der Mehrheit der Mitglieder des UN-Sicherheitsrats verkaufen.

Ob nun der Sicherheitsrat abstimmt oder nicht, ist aber für die drei neuen Achsenmächte ohnehin nur von zweitrangiger Bedeutung. Denn nach ihrer Interpretation sind sie es, welche die Resolution 1441 in letzter Konsequenz durchsetzen und dabei lediglich den Zeitpunkt bestimmen, an dem eindeutig festgestellt werden kann, dass Saddam Hussein ein notorischer Rechtsbrecher ist.

Der Leiter der Unmovic-Mission im Irak, Hans Blix, bereitet sich schon auf das Ende seiner Bemühungen vor und kritisiert nur noch die diplomatisch unsaubere Art der Kriegsankündigung: »Man sollte erwarten, dass die Vereinten Nationen dies auf normalem Weg erfahren und nicht über die Medien.« Der Großteil seiner Inspektoren hat den Irak ohnehin schon verlassen, nur noch 60 befanden sich am vergangenen Wochenende in Saddam Husseins zerfallendem Reich. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ist dabei, ihre letzten sechs Inspektoren ebenfalls abzuziehen.

Während die Vorbereitungen für den Krieg sowohl politisch als auch militärisch abgeschlossen zu sein scheinen, hat sich in den Kabinetten George W. Bushs und Tony Blairs dennoch Unbehagen breit gemacht. Zum einen drängte eine einflussreiche Gruppe in der letzten Woche statt zum Show- zum Slowdown – allen voran des Präsidenten Vater, George Herbert Bush. In einer Rede an der Universität von Massachussetts sagte er, man müsse langjährige Freundschaften über »kurzfristige Allianzen triumphieren lassen« – gemeint waren die angeknabberten Bande zu Frankreich und Deutschland –, im übrigen sei »der Fall gegen Saddam Hussein jetzt weniger klar als 1991«.

Tony Blair wiederum sieht sich einer ganzen Reihe von Rücktrittsdrohungen gegenüber. Nachdem Entwicklungshilfeministerin Claire Short ihren Austritt aus dem Kabinett für den Fall eines Krieges ohne einen Auftrag der Uno angekündigt hatte, tat dies nun auch Gesundheitsminister Malcolm Chisholm. Auch der ehemalige Außenminister und Fraktionsführer der Labour Party im Parlament, Robin Cook, droht mit Rücktritt. Eine letzte Abstimmung im britischen Unterhaus über den Krieg, da sind sich die Beobachter sicher, kann Blair nur mit Unterstützung der oppositionellen Tories gewinnen, während seine Labour-Abgeordneten mehrheitlich gegen den Kriegseintritt stimmen werden.

Doch beim Aufbau einer gänzlich neuen weltpolitischen Sicherheitsarchitektur ist so etwas vielleicht nur ein notwendiger Kollateralschaden.