Wie ein Terrorist

Wachsende Nervosität in den USA von tobias rapp

Es ist eine der Enthüllungen, bei denen man nicht so recht weiß, ob man sich stärker über das ausbleibende Echo wundern soll oder über die Reaktion, die ihnen tatsächlich folgte.

Im New Yorker der vergangenen Woche enthüllte der Journalist Seymour Hersh, dass Richard Perle, einer der wichtigsten Berater im Verteidigungsministerium, für eine im November 2001 gegründete Investmentfirma arbeite, die Geld für Sicherheitsprojekte zur Verfügung stellt. In dieser Eigenschaft habe sich Perle Anfang Januar mit saudi-arabischen Geschäftsleuten getroffen, um den Krieg gegen den Irak und die Zukunft der Region zu erörtern. Vermittelt wurde das Treffen von dem Waffenhändler Adnan Kashoggi.

Der Artikel stellte die Frage, ob sich Perle in einem klassischen Interessenkonflikt befinde. Hersh ist einer der bekanntesten Investigativjournalisten der Vereinigten Staaten, er deckte unter anderem das Massaker der US-Armee in My-Lai auf.

Auf das große Rauschen im Blätterwald wartete man nach Hershs Artikel allerdings vergeblich. Sowohl die großen Zeitungen als auch die Fernsehsender hielten sich zurück. Ganz anders Richard Perle selbst. Als er von einem CNN-Moderator auf die Geschichte angesprochen wurde, sagte er, Hersh übe seinen Beruf aus wie ein Terrorist (»Look, Sy Hersh is the closest thing American journalism has to a terrorist«).

Moderator Wolf Blitzer: »Warum sagen Sie, wie ein Terrorist?« Darauf Perle: Hersh tue alles, »um zu schaden«.

Wir gegen sie, wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. Das Bedürfnis, die Richtigkeit des eigenen Tuns zu demonstrieren und jede Abweichung zu geißeln, trägt manchmal schon groteske Züge. Bilder von erbosten Restaurantbesitzern, die grimmig lächelnd sündhaft teuren Rotwein in den Ausguss schütten, gab es in Deutschland auch, als die französische Regierung sich in den neunziger Jahren weigerte, ihre Atomtests im Südpazifik einzustellen. Doch es dürfte eine historische Novität sein, dass sich die Parlamentskantine eines demokratischen Landes dazu herablässt, wegen politischer Meinungsverschiedenheiten ein Gericht umzubenennen: Wer im Kongress Pommes Frites haben will, muss statt »French Fries« fortan »Freedom Fries« bestellen.

Nun kann man lange darüber sinnieren, ob aus all diesen Demonstrationen der eigenen Stärke nicht vor allem die Angst vor der eigenen Schwäche spricht. Die Angst davor, tatsächlich so isoliert zu sein, wie man es öffentlich immer abstreitet, die Befürchtung, vielleicht doch das Falsche zu tun.

Von wenigen Ausnahmen wie der New York Times abgesehen, auf deren Meinungsseite es vergangene Woche hieß, die Administration habe offensichtlich den »Kontakt zur Realität« verloren, kann man in den US-amerikanischen Medien nach solchen Reflexionen lange suchen, ohne fündig zu werden. Dafür muss man gar keine Artikel als Beleg heranziehen, in denen die Europäer als »Weasels« beschimpft oder amerikanische Kriegsgegner des »Verrats« bezichtigt werden, auch wenn es genug davon gibt.

An der Schwelle zum Krieg gilt es, wenn nicht als terroristisch, so doch zumindest als falsch, genauer nachzufragen. In einem Porträt von George W. Bush in der aktuellen Ausgabe des konservativen Monatsmagazins Atlantic Monthly heißt es, der Präsident sei nicht in der Lage, Mehrdeutigkeiten zu tolerieren, er habe einen »eng definierten mentalen Horizont«. Doch all das sei nicht weiter schlimm, dieses Manko werde durch seine Fähigkeit zur »sekundenschnellen Entscheidung« mehr als wettgemacht.