Zwei schlechte Witze

in die presse

In einer Gewerkschaft kann man sich die Genossinnen und Genossen nicht aussuchen. Manchmal nicht einmal die Standpunkte. Man ist Mitglied, schüttelt den Kopf und denkt an Austritt. Oder man sagt was.

Am vergangenen Freitag meinte meine Gewerkschaft, der Verband deutscher Schriftsteller (VS) in Baden-Württemberg, erklären zu müssen: »Europa hat aus den Folgen des Zweiten Weltkriegs gelernt. Das zeigt die Einstellung der Völker und der meisten europäischen Staaten zum Irakkrieg. Die Haltung der deutschen Bundesregierung muss angesichts des Todes und der Verstümmelung ungezählter Zivilisten noch konsequenter sein. Erforderlich sind aus der Sicht der Schriftstellerinnen und Schriftsteller drastische diplomatische Maßnahmen gegenüber Ländern, die völkerrechtswidrig mit Krieg und militärischer Gewalt gegen andere Völker, aber auch gegen das eigene Volk vorgehen. Der Verband deutscher Schriftsteller (VS) in Baden-Württemberg fordert deshalb den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu allen Ländern, die sich am gegenwärtigen Krieg beteiligen.«

Das ist Unsinn. Nicht nur haben die europäischen Eliten überhaupt nichts aus den Folgen des Zweiten Weltkriegs gelernt, sondern sie verfolgen ihre eigene Weltmachtpolitik und sind auch bereit, ihre ökonomischen Interessen mit Gewalt zu verteidigen. Die Friedensheuchelei der deutschen Bundesregierung hat ein Niveau erreicht, das nur noch durch die Selbstheiligsprechung gesteigert werden könnte. Als es Jugoslawien in Stücke zu hauen galt, sah die Bundesregierung auf dem Balkan gerne militärisch nach dem Rechten.

Einem kompatiblen Zweck dient ihre neue Friedensliebe. Sie soll Deutschland als europäische Führungsmacht in eine Position bringen, die in näherer Zukunft eine Konkurrenz mit den USA um geostrategische Hegemonie ermöglicht. Es geht nicht um Krieg oder Frieden, sondern um die sich verschärfende Konkurrenz zweier imperialistischer Blöcke, denen alles am Herzen liegt – außer Frieden. Deswegen ist der Vorschlag des VS-Bundesvorstands, Gerhard Schröder und Joschka Fischer den diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zu verleihen, ein ebenso schlechter Witz wie die Presseerklärung des VS Baden-Württemberg.

marcus hammerschmitt