Generäle zur Wahl

Bei den Wahlen in Nigeria, die in dieser Woche beginnen, dominieren Parteien der Oligarchie. Die beiden aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten kommen aus dem Militär. von alex veit
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Weitere »flapsige Bemerkungen« über seine Organisation wolle er in Zukunft nicht mehr hören, teilte Abel Guobadia, Leiter der nigerianischen Wahlkommission (Inec) am Dienstag der vergangenen Woche mit. »Was uns angeht, stehen die Termine fest. Jede Partei, die nicht bereit ist, muss selbst wissen, warum, und sollte den Nigerianern mitteilen, warum sie nicht so weit ist.« Seine Kommission sei jedenfalls auf den Wahlmarathon vorbereitet, bei dem ab Samstag jede Woche bis Anfang Mai über alle politischen Ämter vom Bürgermeister bis zum Präsidenten entschieden werden wird. Allenfalls ein paar Wahlurnen, die bei den letzten Wahlen vor vier Jahren beschädigt worden sind, müssten noch repariert werden.

Doch von fairen Bedingungen und guter Vorbereitung kann keine Rede sein. Erst vor einigen Monaten konnte der Menschenrechtsaktivist Gani Fawehinmi von der National Conscience Party (NCP) die Zulassung der kleinen, überwiegend linken Parteien vor Gericht erstreiten. Nun haben die Wählerinnen und Wähler mit 19 Präsidentschaftskandidaten, darunter zwei Frauen, und noch mehr Parteien zwar mehr Auswahl auf den Wahlzetteln als jemals zuvor, doch ob sie überhaupt einen Wahlschein erhalten werden, ist für viele ungewiss.

Die Wahlkommission wollte im vergangenen Jahr die Registrierung innerhalb von wenigen Tagen durchführen. Als sich herausstellte, dass nicht genügend Formulare für den Antrag auf einen Wahlschein vorhanden waren, beschuldigte die Inec ihre eigenen Mitarbeiter, sie zu horten, um sie gewinnbringend verkaufen zu können. Inzwischen wurde eine weitere Registrierung durchgeführt. Trotzdem ist die Wählerliste zwar immer noch unvollständig, Gerüchten zufolge befinden sich aber schon jetzt mehr Namen auf der Liste, als es Wahlberechtigte gibt. Die NCP hat deshalb auf eine Verschiebung des Wahltermins geklagt. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs, wahrscheinlich eine Abweisung der Klage, wird für diese Woche erwartet.

Das US-amerikanische Carter Center des früheren Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers, Jimmy Carter, das weltweit die Durchführung demokratischer Wahlen begleitet und unterstützt, erklärte, »dass diese Defizite in Organisation und Durchführung der Wahlen, falls sie nicht korrigiert werden, den Glauben der Öffentlichkeit an den demokratischen Prozess des Landes irreparabel beschädigen können«. Die Uno und lokale NGO wollen hingegen den Glauben an die Demokratie erst einmal aufbauen und produzierten zusammen eine Radio-Seifenoper unter dem Titel: »Wir sehen uns bei den Wahlen«. Motto der Kampagne: »Give Peace a Chance«.

Um den Frieden im Land ist es tatsächlich schlecht bestellt, und dies ist das größte Hindernis für die Durchführung regulärer Wahlen. Erst vergangene Woche konnte die Armee eine fragile Ruhe in einigen Gegenden im ölreichen Nigerdelta durchsetzen, wo ethnische Jugendmilizen sich bei einer Auseinandersetzung um den Zuschnitt von Wahlkreisen blutige Kämpfe lieferten. Dabei kamen auch einige Soldaten ums Leben, was die Armee offenbar mit schweren Menschenrechtsverletzungen beantwortete. Der Konflikt war so heftig, dass die westlichen Ölkonzerne die Förderung einstellten und die Produktion kurzzeitig um vierzig Prozent sank.

Ethnizität ist für die politische Oligarchie des Landes die wichtigste Ressource, um Wähler an sich zu binden. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen lassen der lokalen Bevölkerung in vielen Regionen kaum noch Raum, um für politische Überzeugungen abseits von Identitätskonzepten einzutreten. Die kleinen linken Oppositionsparteien, die vor allem den Widerspruch zwischen dem Ölreichtum des Landes und der Verarmung des größten Teils der Bevölkerung thematisieren, werden auch deshalb bei den Wahlen keine größere Rolle spielen.

Vielmehr dürfte vor allem die Präsidentschaftswahl zwischen ehemaligen Generälen entschieden werden. Insgesamt treten vier Ex-Generäle an, weshalb in Zeitungsglossen nicht von einer »General Election« (allgemeinen Wahl), sondern von einer »General’s Election« die Rede ist. Die größten Chancen hat dabei der amtierende Präsident Olusegun Obasanjo. Der frühere Armeechef, der bereits Ende der siebziger Jahre ein später von seinem jetzigen Herausforderer Muhammadu Buhari durch einen Putsch beendetes demokratisches Experiment eingeleitet hatte, war 1999 mit großer Mehrheit gewählt worden. Damals stützte er sich vor allem auf die muslimische Armee-Oligarchie aus dem Norden, die nach einer langen Militärdiktatur in dem Ex-General den Garanten ihrer Interessen sah.

Doch Obasanjo besetzte viele Schlüsselposten in der Armee mit Vertretern von Minderheiten aus dem Zentrum des Landes, das lange Zeit von den nördlichen Oligarchien marginalisiert worden war, sowie mit Mitgliedern seiner eigenen ethnischen Gruppe, der Yoruba aus dem Südwesten. Das brachte ihm zwar den Zorn der nördlichen Militäroligarchie ein, machte aber einen weiteren Militärputsch unwahrscheinlicher. Außerdem kann er sich nun einer großen Mehrheit unter den Yoruba sicher sein, deren Partei Alliance for Democracy (AD) sogar ein Bündnis mit seiner People’s Democratic Party (PDP) eingegangen ist. Um auch im bevölkerungsreichen Norden zu punkten, hat er mit Atiku Abubakar einen Muslim aus dieser Region zu seinem Stellvertreter gemacht.

Sein chancenreichster Herausforderer, der Muslim Buhari, wird deshalb wohl das Nachsehen haben. Der Kandidat der All Nigeria People’s Party (ANPP) war bis zu seiner Nominierung wegen seines Eintretens für die Einführung der Sharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten, die in den letzten Jahren zu Ausschreitungen mit mehreren tausend Toten geführt hat, umstritten. Im Wahlkampf bekannte er sich allerdings zur Verfassung, mit der die Strafen der Sharia nicht vereinbar sind. Buharis Abkehr vom muslimischen Recht analysierte Tanko Yakassai, ein Berater der 1983 von Buhari weggeputschten Regierung, gegenüber der Tageszeitung Vanguard: »Die Sharia wurde in den meisten Bundesstaaten bereits eingeführt und praktiziert. Mit einer Kontroverse darüber sind keine Wahlen zu gewinnen.«

Um seine Chancen außerhalb des muslimischen Nordens zu erhöhen, wählte Buhari mit Chuba Okadigbo einen Igbo aus dem Südosten zu seinem Stellvertreter. Unter den Igbo, der drittgrößten ethnischen Gruppe des Landes, galt es eigentlich als ausgemacht, dass der nächste Präsident aus ihren Reihen kommen muss. Schließlich bekleidete seit den sechziger Jahren kein Igbo mehr das höchste Staatsamt. »Es ist legitim und das Recht der Igbo, den Präsidenten Nigerias zu stellen«, erklärte Obasanjo auf einer Wahlkampveranstaltung. Da er jedoch innerhalb seiner Partei den aussichtsreichen Politiker Alex Ekwueme aus dem Südosten durch allerlei Tricks an der Präsidentschaftskandidatur gehindert hat, wird seinem Bekenntnis zur ethnisch-geographischen Machtrotation wohl kein Glauben geschenkt werden.

Sachthemen von gesamtstaatlicher Bedeutung haben im Wahlkampf der beiden wichtigsten Kontrahenten bislang keine Rolle gespielt. Vielmehr versprachen beide in jeder Region des Landes, in den nächsten Jahren besonders viel Geld in lokale Projekte fließen zu lassen. Diese Strategie des Partikularen und die endemische Gewalt garantiert den Politoligarchien, dass sich keine starke, an den sozialen Problemen des gesamten Landes interessierte Opposition formieren kann.