Krieg in der Speisekammer

Aufrufe zum Boykott US-amerikanischer Produkte von philipp steglich

Ein Ruf wird laut in Europa. Seien es italienische Friedensaktivisten, Abgeordnete der grünen Fraktion des Europäischen Parlaments, die Frankfurter Jusos oder der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky, sie alle fordern einen Boykott der Erzeugnisse der Kriegspartei USA. Die anrüchige Produktreihe reicht von den kulinarischen Klassikern wie Coca-Cola, Heinz-Ketchup, Big Mac und Whopper über Leckereien für Vierbeiner wie Chappi und Whiskas bis zu Microsoftprodukten und den Kraftstoffen von Esso, Shell oder der BP.

Was das politische Personal der Friedensnationen Deutschland, Frankreich und Russland nicht geschafft hat, nämlich die Amerikaner dazu zu bringen, den Krieg nicht zu beginnen oder wenigstens schnell wieder zu beenden, soll jetzt Sache jedes Einzelnen werden. Da die geschichtslosen Kulturbanausen aus der Neuen Welt sich nicht von den moralischen Appellen der Weltgemeinschaft beeinflussen lassen wollen, sondern nur den schnöden Mammon kennen, muss mit ihnen nun in der Sprache geredet werden, die sie verstehen: der Sprache des Geldes. Was die Politik nicht vermag, wird der allmächtige Markt schon richten.

Ein renommierter Darmstädter Fahrradhersteller, Riese & Müller, kauft jetzt also seine Zubehörteile nicht mehr in den USA, sondern will sie durch Produkte aus, jetzt kommt’s: den Ländern Deutschland, Italien und Japan ersetzen. Ausgerechnet die Achsenmächte des Zweiten Weltkriegs gelten nun als politisch korrekt und friedenspolitisch rehabilitiert.

Der NPD gelang es, den seinerzeit erfolgreichen Slogan »Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!« vom 1. April 1933 ziemlich genau 70 Jahre später leicht modifiziert wieder aufzulegen. Mit Blick auf die »angloamerikanischen« Bomberverbände heißt es jetzt aus den Reihen der Volksgenossen: »Kauft nicht bei Kriegstreibern!«

Der Umstand, dass auf US-amerikanischer Seite auch Aufrufe zum Boykott europäischer Produkte zu hören waren, macht die Sache nicht besser. In Amerika werden vor allem Wein und Käse aus Frankreich bestreikt. Besonders schlimm treffen könnte es den Farbenhersteller Keim aus Bayern. Diese Firma liefert traditionell das Material für den Anstrich des Weißen Hauses, des Pentagon und des Kapitols. Nun soll Berichten zufolge die Geschäftsbeziehung in Gefahr geraten sein.

Der Sinn dieser Auseinandersetzung, die in erster Linie von verbalen Drohungen bestimmt ist, ist mehr als fraglich. Denn der Käuferstreik gegen Waren aus Übersee bedient allenfalls antiamerikanische Ressentiments und schafft so etwas wie einen europäischen Nationalismus. Auf jeden Fall nichts Gutes.

Die Konfrontation Amerikas mit dem »alten Europa« soll von der weltpolitischen Ebene in jeden Familienkühlschrank geholt werden. So kann man der eigenen Friedensregierung durch einen bewussten Einkauf den Rücken stärken.

Ein praktischer Vorteil im Alltag mag immerhin sein, dass man den Verzicht auf transatlantische Waren mit dem Sozialabbau und den Lohneinbußen vereinbaren kann. Die Schwarzbrotstulle ist billiger als der Burger und dient noch dem Frieden – mit den eigenen Herren.