Och nö, Olympia

Großer Sport ist zu loben, die Olympischen Spiele jedoch nicht. von martin krauss

Warum lehnt einer, der den Sport liebt und ihm nicht Weniges in seinem Leben verdankt, die Olympischen Spiele ab? Vielleicht sollte man dazu kurz die Geschichte dieses Spektakels erzählen.

Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Olympischen Spiele als Anhängsel der Weltausstellungen. Die zunächst lächerlich anmutenden Treffen aristokratischer Jungmänner wuchsen zu staatlich finanzierten Weltereignissen in der fordistischen Gesellschaft heran. Ein vorläufiger Höhepunkt waren die Olympischen Spiele 1936 in Berlin, wo Carl Diem solch mythische Dinge wie den Olympischen Eid oder das Olympische Feuer einführte. Mitte der Achtziger geriet das Modell der staatlich finanzierten Olympischen Spiele in die Krise. Gerettet wurden sie von privaten Investoren.

Doch auch die nunmehr weitgehend kapitalistisch vergesellschafteten Spiele finden noch unter dem Dach des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) statt, werden mit Fahnen, Fackeln, Eiden und Hymnen inszeniert und mit Medaillenspiegeln ausgewertet, um die Stärke von Nationen zu bestimmen.

Der mythische Dreck und die nationalistische Borniertheit wurden trotz kapitalistischer Durchdringung der Spiele leider nicht abgeschafft. Sie hat stattdessen bewirkt, dass, was man von einer staatlichen Organisation ja noch erwarten könnte, das Weltereignis Olympische Spiele nun nicht mehr wenigstens in Ansätzen sozial verträglich durchgeführt wird: Nachhaltiger Nutzen von Sportanlagen etwa ist kaum noch gegeben, die meisten Hallen und Stadien werden errichtet, um nach den Spielen wieder abgerissen zu werden. Oder die spätere Nutzung des Olympischen Dorfes für Studentenwohnheime und Sozialwohnungen gibt es mittlerweile nirgends mehr. Vielmehr dienen die Olympischen Spiele als Vehikel für eine völlig deregulierte Modernisierung der Städte.

Die Bedeutung von Olympischen Spielen in diesem Umgestaltungsprozess kann man kaum überschätzen. Die Eröffnungsveranstaltung der letzten Spiele in Salt Lake City wurde 2002 weltweit von drei Milliarden Menschen geschaut. Für ein Weltereignis dieser Größenordnung – etwas Vergleichbares gibt es nicht – werden die Ausrichterstädte gründlich umgekrempelt. Und da diese Umkremplung mit nur geringer politischer Regulierung vonstatten geht, sollte man sich über die Ergebnisse nicht wundern.

Aber sind, könnte man einwenden, die Olympischen Spiele nicht primär große Sportereignisse? Ja, vor allem sind sie das, das macht auch ihre Faszination aus, doch im heutigen Weltsport gibt es zwei gegenläufige Tendenzen. Einerseits möchte das IOC, dass die großen Weltsportereignisse unter seinem Dach stattfinden. Das IOC hätte beispielsweise gerne, dass beim Olympischen Fußballturnier die besten Nationalmannschaften gegeneinander antreten, wodurch die Fußball-Weltmeisterschaften entwertet würden. Das IOC umwirbt auch die besten Profis der amerikanischen Baseballligen, und die Größen des Welttennis wie auch NBA-Basketballstars sind ja seit einigen Jahren bei den Spielen präsent.

Andererseits möchten die lukrativen Sportarten ihre teuren Verwertungsrechte nicht mit dem IOC teilen. So hat etwa der Weltfußballverband dafür gesorgt, dass keine A-Nationalmannschaften an Olympischen Turnieren teilnehmen. Die amerikanische Major League Baseball organisiert das beste Baseball der Welt auch lieber selbst und schickt ihre Profis nicht zu Olympia, und die besten Eishockeyspieler kommen erst dann vorbei, wenn ihr Team aus dem profitableren Stanley Cup ausgeschieden ist.

Den bislang ambitioniertesten Versuch, die Olympischen Spiele mit kapitalistischen Mitteln aus dem Felde zu schlagen, unternahm 1980 Ted Turner. Der amerikanische Medienunternehmer nutzte die Krise der Olympischen Bewegung, um die »Goodwill Games« ins Leben zu rufen, die eine Konkurrenz zu den Olympischen Spielen darstellen sollten, was leider nicht im gewünschten Maße gelang. Dort treten Weltklasseathleten an, die anders als bei den mythisch umflorten Olympischen Spielen Antritts-, Preis- und Rekordgelder kassieren und die auch nur für sich und nicht als Repräsentanten ihrer Länder antreten.

Es ist schon richtig: Großer Sport ist nur als globaler Sport zu haben, in dem Weltstars um Weltrekorde kämpfen. Aber warum das nur bei Olympischen Spielen geschehen könnte, leuchtet nicht ein.