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Ran an die kleinen Löhne!

Niedriglohnsektor. Die nächste bahnbrechende Idee, mit deren Hilfe die Arbeitslosenzahl innerhalb von drei bis fünf Jahren um 1,5 Millionen verringert werden soll, liegt vor. Einen »florierenden, marktkonformen Niedriglohn-Bereich« will der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, schaffen. 500 000 Menschen arbeiten bereits für einen bescheidenen Lohn, aber zwei Millionen könnten es seiner Ansicht nach werden.

Aus dem Kreise der »arbeitsfähigen« SozialhilfeempfängerInnen will Zimmermann die billigen Arbeitskräfte rekrutieren. Überhaupt müsse die Sozialhilfe neu geregelt werden: »Das ist eine wichtige Stellschraube«, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Während sein Kollege vom Ifo-Institut in München, Hans-Werner Sinn, die Sozialhilfe deutlich senken will, um jene »Arbeitsfähigen« dazu zu bringen, schlecht bezahlte Jobs anzunehmen, orientiert sich Zimmermann am US-amerikanischen Workfare-Prinzip. Danach muss, wer überhaupt Leistungen erhalten will und als arbeitsfähig gilt, im Umfang einer vollen Stelle gemeinnützige Arbeit leisten. Völlig einig sind sich die beiden Experten darin, dass die Sozialhilfe eine Arbeitsaufnahme in der Regel blockiert.

Glücklich und bescheiden

Armut. In Sachsen-Anhalt scheint besonders leichtfertig Sozialhilfe ausgezahlt zu werden, die die Menschen davon abhält, einer geregelten Lohnarbeit nachzugehen. Vor allem Kinder, allein erziehende Frauen, allein lebende ältere Frauen oder aber Männer und Frauen, die zur Wendezeit 45 bis 55 Jahre alt waren, sind offensichtlich mit den staatlichen Leistungen rundum zufrieden.

Der Sozialminister des Landes, Gerry Kley (FDP), legte am vergangenen Mittwoch einen Bericht vor, nach dem die Armutsquote in Sachsen-Anhalt 18 Prozent beträgt. In fast jedem fünften Haushalt lebten die Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Die oben genannten Personengruppen tragen das höchste Armutsrisiko.

Alte Gesichter

Fahndungsplakate. Damit die Straftäter in den Reihen der Polizei nicht wieder unerkannt entkommen können, plant die Antifaschistische Linke Berlins (ALB), am 1. Mai 10 000 Handzettel mit den Konterfeis von gewaltbereiten Polizisten zu verteilen sowie 5 000 Plakate in Berlin aufzuhängen.

Letzteres tat man zwar schon im vergangenen Jahr, um auf die immer noch fehlende Kennzeichnungspflicht für Beamte aufmerksam zu machen, muss nun aber dafür 2 000 Euro zahlen. So erließ das Amtsgericht Tiergarten am 16. April einen Strafbefehl gegen den Pressesprecher der ehemaligen Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB), wie die ALB, eine ihrer beiden Nachfolgegruppen, mitteilte. Es sei »entgegen dem Kunsturhebergesetz« ein Bildnis verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt worden.

Schon jetzt werden die Plakate in der Stadt aufgehängt, damit man sich die Gesichter der Polizisten vor dem 1. Mai einprägen kann. Wer keines der Plakate entdeckt, kann die Bilder unter www.antifa.de betrachten. Die Mühe lohnt sich, da es sich vermutlich um Wiederholungstäter handelt.

Neue Gesichter

Polizei. Die Polizei ist einfach zu deutsch. Zum Beispiel sind von den 17 000 Berliner Schutzpolizisten nur 50 nicht deutscher Herkunft. Um sich von diesem Image lossagen zu können, werden seit dem 14. April bei der Berliner Polizei 25 überwiegend türkische Jugendliche in den Polizeidienst integriert. Die Süddeutsche Zeitung berichtete am vergangenen Samstag über das Modellprojekt der Innenverwaltung, der Polizei und des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg (TBB).

Abgesehen davon, dass man sich einen Nutzen davon verspricht, »sprachkompetente Mitarbeiter« in den eigenen Reihen zu haben, will die Polizei mit dem Projekt möglicherweise ihrem Ziel näher kommen, ein Spiegel der Gesellschaft zu sein. Frühere Versuche in dieser Richtung hätten jedoch kaum zum Erfolg geführt. »Die Polizei gilt als durch und durch deutsche Institution«, wird Kenan Kolat, der Geschäftsführer des TBB, zitiert, »viele würden nie auf die Idee kommen, sich da einfach zu bewerben.«

Kohl im Glück

Ermittlungen eingestellt. Die Bonner Staatsanwaltschaft wird nach fast dreijähriger Arbeit ihre Ermittlungen zu den angeblich verschwundenen Kanzleramtsakten aus der Ära Kohl einstellen. Der ARD sagte der frühere Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU), er freue sich sehr, dass die Verdächtigungen nicht aufrechterhalten würden.

Das Kanzleramt hatte im Jahr 2 000 Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt, weil man vermutete, dass unter Helmut Kohl im großen Stil Aktenbestände manipuliert wurden. Unter anderem sind wichtige Akten über den Verkauf des ostdeutschen Unternehmens Leuna angeblich verschwunden. Die Staatsanwaltschaft entschied: »Das Ermittlungsergebnis lässt keinen Raum für eine Anklage.« Die Akten seien lediglich falsch abgeheftet worden. Kohl und Bohl werden derweil die Sektkorken knallen lassen.

Autonomes Gemüse

Osteraktion. Wie anonyme GemüsehändlerInnen auf Indymedia mitteilten, hätten »autonome Häschen« in der Nacht zum Ostersamstag die Mohrenstraße im Berliner Bezirk Mitte in »Möhrenstraße« umbenannt. Sie veränderten die entsprechenden Schriftzüge und ließen Karotten und Eier im U-Bahnhof Möhrenstraße zurück. Drahtzieher sei der Berliner Gemüsehandel, der offensichtlich dem Wurzelgemüse zu mehr Popularität und Ansehen verhelfen will.

Aber auch ein politischer Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden. Die Mohrenstraße erhielt ihren Namen um das Jahr 1700, als zwölf Menschen aus dem heutigen Ghana nach Berlin verschleppt wurden. Er sei somit ein Relikt aus der rassistischen Kolonialzeit Deutschlands.