Die den
Adler tragen

Separatismus in Mazedonien von roman filipovic

Das Meer von roten Fahnen erinnerte an längst vergangene Zeiten. Zwei Jahre nach der Ausweitung des Kurzkrieges zwischen Kämpfern der Nationalen Befreiungsarmee (UCK) und mazedonischen Regierungseinheiten auf den Norden des Landes schwenkten am Wochenende in Slupcane hunderte Anhänger das rote Tuch mit dem schwarzen albanischen Adler.

Anfang Mai 2001 war es der UCK gelungen, nach der Besetzung ganzer Landstriche in Westmazedonien auch den unweit der Grenze zum serbischen Presevo-Tal und dem Kosovo gelegenen Ort unter ihre Kontrolle zu bekommen.

Zwar kehrten mazedonische Sicherheitskräfte nach dem Abschluss des von der EU vermittelten Friedensabkommens von Ohrid im August desselben Jahres in die von den panalbanischen Separatisten beanspruchten Gebiete zurück. Doch allen Beteuerungen der seit April in Mazedonien stationierten EU-Militäreinheit Eufor zum Trotz, die Lage im Land sei entspannt, herrscht hier immer noch der Ausnahmezustand. Von Ohrid enttäuschte, maskiert auftretende Kämpfer der UCK-Nachfolgeorganisation Albanische Nationalarmee (AKSh) haben sich vor etwa einem Jahr in der Gegend niedergelassen. Längst operieren sie auch jenseits der Grenzen Mazedoniens.

Fünf Jahre nachdem Einheiten Slobodan Milosevics im Sommer 1998 erfolglos versuchten, die kosovo-albanische UCK zu zerschlagen, geht der Drive für den Zusammenschluss aller albanischen Siedlungsgebiete heute von Süden Richtung Norden – und nicht, wie nach Ende des Kosovo-Krieges 1999, aus dem internationalen Protektorat in die benachbarten Gebiete. Während in Pristina keine der drei großen Parteien die Aktionen der AKSh unterstützt – erst Mitte April sprengten die bewaffneten Kämpfer eine Eisenbahnbrücke –, können sie in Mazedonien auf international anerkannte Sympathisanten verweisen. Der Vorsitzende der Demokratischen Albanischen Partei (DPSh), Arben Xhaferi, zog sich vor drei Wochen mit seiner Fraktion aus dem Parlament zurück. Denn der im Herbst neu gewählten Regierung sei es nicht gelungen, die in Ohrid vereinbarten Maßnahmen »zum Aufbau einer multiethnischen Gesellschaft« durchzuführen.

Darum geht es den Kämpfern für ein vereinigtes Großalbanien allerdings ohnehin nicht. Xhaferis Forderung nach der Einrichtung eines Protektorats zum Schutz der albanischen Minderheit in Mazedonien mag vielleicht noch an die Rhetorik der kosovarischen UCK erinnerte, die sich noch um ihren Ruf im Westen sorgte. Den Männern mit Maske sind solche Rücksichten unbekannt. Um die Anhänger des stellvertretenden Ministerpräsidenten und Ex-UCK-Chefs Ali Ahmeti auf ihre Seite zu ziehen, setzen sie allein auf die Macht der Gewehrläufe.

Die Sprengkraft, die eine noch so kleine Truppe mit ihren Anschlägen auf Polizeistationen entfalten kann, zeigte sich in Mazedonien schon vor zwei Jahren. Innerhalb von Wochen rekrutierte Ahmeti mehr als 2 000 Männer, denen es am Ende fast gelang, die beiden Kampfgebiete im Westen und im Norden zu vereinen. Und selbst wenn es in diesem Sommer nicht zum Ausbruch offener Kämpfe kommen sollte, werden die 400 EU-Soldaten in den nächsten Wochen wohl noch mehr zu tun bekommen, als sie am Beginn der ersten eigenständigen EU-Militäroperation gedacht haben.