Absturz im Netz

in die presse

Sehr kurz nach dem Absturz des Jürgen W. Möllemann am 5. Juni 2003 um 12.30 Uhr begann im World Wide Web der interessante »Wer verdächtigt zuerst Israelis?«-Wettbewerb.

Erstaunlicherweise konnten sich die Favoriten nicht durchsetzen. Erst um 13.57 Uhr gelang es dem von Insidern hoch gewetteten Onlinedienst palaestinanews.de, unter der Headline »Jürgen Möllemann ist tot – Einziger deutscher Politiker, der Israel massiv öffentlich kritisiert hat« die Frage zu stellen: »War es der israelische Geheimdienst (Mossad)?« Für eine Top-Platzierung reichten jedoch weder die über 80minütige Verspätung noch der folgende recht lahme Text, in dem neben dem Polizeibericht aus Möllemanns Buch eine angeblich an Guido Westerwelle adressierte israelische Drohung zitiert wird.

Woanders war man schneller: Bereits um 13.26 Uhr hatte im Forum der Fernsehserie »Big Brother« der User »Hennes 15« im Thread »Möllemann ist tot« verkündet: »Hmm. Da war bestimmt zuviel Ostwind im Spiel.« Unter den eher an den Schicksalen der Container-Schlampen Lucie und Nadja Interessierten entstand daraufhin kurzfristig eine gewisse Verwirrung. »DDR-BB-Fan« etwa fragte zwei Minuten später zurück: »Wie soll ich das verstehen? Hast Du was gegen den Osten?«

Gegen 13.30 Uhr, als in der Redaktion der palaestinanews wohl immer noch an der Mossadspur gearbeitet wurde, waren die Freunde der RTL2-Reality Soap schon klüger: »Hennes 15« erklärte, seine meteorologische Allegorie vom Ostwind sei »eine Anspielung auf die Attentäter« gewesen, Userin »Athena« präzisierte: »Mit Osten war der Nahe Osten gemeint«.

Der special award für die schönste Antwort auf Verschwörungstheorien geht übrigens an den Indymedia-User »Todschick 28259«. Die eher wirren, gleichwohl geduldeten Beiträge eines Nutzers »Ralph K.«, der nach Mossad und Bundesregierung den hinter Möllemann abgesprungenen Fallschirmsportler verdächtigte, parierte er mit einem schlichten: »Ob er nun als Letzter aus dem Flugzeug gesprungen ist oder nicht, zumindest müsste er als Erster unten gewesen sein!«

elke wittich