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Polen votiert für den EU-Beitritt von kerstin eschrich

So ganz sicher war man sich bis zum Schluss nicht, ob Polen, mit 38 Millionen Einwohnern das größte Land unter den zehn Kandidaten für einen EU-Beitritt, diesem Beitritt wirklich zustimmen würde. Das hat mit der agrarischen Wirtschaftsstruktur, mit katholischem Fundamentalismus, aber auch mit den traumatischen Erfahrungen zu tun, die die Polen mit ihrem mächtigen Nachbarn Deutschland machen mussten.

Am vergangenen Wochenende wich die Restunsicherheit der Gewissheit. 76 Prozent stimmten für den Beitritt und, was weitaus wichtiger ist, die Beteiligung lag bei 58 Prozent. Hätte weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten an der Abstimmung teilgenommen, hätte nicht nur das Parlament mit Zweidrittelmehrheit über den offiziellen EU-Beitritt am 1. Mai 2004 entscheiden müssen, sondern die EU-Befürworter hätten auch ein mächtiges Legitimationsproblem gehabt.

Ultrarechte Parteien wie die Polnische Familienliga (LPR) und die antisemitische Bauernpartei Samoobrona, die zusammen ein Viertel der Parlamentssitze innehaben, votieren strikt gegen einen Beitritt. Sie vertreten vor allem die katholischen Fundamentalisten und den von der Landwirtschaft abhängigen Teil der Bevölkerung. Samoobrona mischte seine rassistische und antisemitische Hetze mit dem Schüren von berechtigten Ängsten vor dem mächtigsten Land in der EU, Deutschland.

Dort freut man sich auch über das polnische Votum. Bundeskanzler Gerhard Schröder teilte prompt mit, »dass die hervorragenden deutsch-polnischen Beziehungen« nun eine neue Dynamik erhielten. Von »hervorragenden Beziehungen« konnte in den letzten Monaten freilich nicht die Rede sein. Sehr zum Verdruss der Deutschen stellte sich die polnische Regierung während des Irakkriegs eindeutig auf die Seite der USA. Und auch die hämischen Kommentare in deutschen Zeitungen über Polen als Teil der Übergangsverwaltung des Irak zeugten nicht gerade von Respekt vor einem gleichberechtigten Partner.

Diese neuerliche Erfahrung mit deutscher Arroganz hat es vielen Polen gewiss nicht leichter gemacht, für die EU zu stimmen.

Ähnliche Überlegungen dürfte auch einige Tschechen umtreiben, die am kommenden Wochenende über den Beitritt entscheiden. Zwar ist die Stimmung eindeutig EU-freundlicher als in Polen und die Gültigkeit des Referendums ist nicht durch eine Mindestbeteiligung von fünfzig Prozent erschwert, aber auch in Tschechien ist die Stimmung für den Beitritt nicht überschwänglich.

Wozu die Deutschen nicht unwesentlich beitragen: Erst am Wochenende forderte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber wieder einmal die Aufhebung der Benes-Dekrete, sonst sei Tschechien nicht reif für einen EU-Beitritt. Stoiber betonte auf dem Sudetentag, dass die Abgeordneten seiner Partei in voller Übereinstimmung und Abstimmung mit ihm deshalb im europäischen Parlament gegen die Aufnahme Tschechiens gestimmt hätten. Und um den Tschechen noch mehr die Lust an der EU zu nehmen, drohte er damit, dass die Aufhebung der Dekrete nach dem tschechischen EU-Beitritt zu einer zentralen Forderung im Europaparlament werde.

So gesehen hat sich Polen, indem es sich im Irakkrieg an die Seite der USA gestellt hat, gegen aktuelle und künftige Zumutungen des mächtigen Nachbarn Deutschland erfolgreich abgesichert.