Emotional Rescue

Die Intervention im Kongo von jörn schulz

Der erste Empfang war freundlich. »Wir sind befreit«, riefen Einwohner Bunias beim Eintreffen der französischen Truppen der »Operation Artemis«. Doch als wenige Tage später ein UN-Konvoi die Stadt durchquerte, folgte ihm eine bewaffnete Menge mit dem Ruf: »Der weiße Mann wird flüchten, die Stadt gehört uns.«

Letztere Behauptung bestätigte Oberst Gerard Dubois, der Sprecher der Interventionstruppe: »Es ist nicht unser Mandat, die Stadt zu entmilitarisieren«. Am Samstag kam es zwischen Bunia und dem Dorf Délé zu einem ersten Feuergefecht. Da Délé von einer überwiegend aus Angehörigen der Lendu gebildeten Miliz kontrolliert wird, in Bunia dagegen ein Warlord der Hema herrscht, könnte dies bereits eine erste Reaktion auf die erklärte Absicht der Interventionstruppen gewesen sein, an den Machtverhältnissen in Bunia nichts zu ändern.

Die UN-Resolution 1484 sieht eine Entwaffnung nicht ausdrücklich vor, doch das Mandat, mit »allen erforderlichen Mitteln« für Sicherheit in Bunia zu sorgen, kann als Legitimation für ein Vorgehen gegen die Milizen interpretiert werden. Entschließt sich die Interventionstruppe doch noch, die Hema-Miliz aus Bunia zu vertreiben, wird sie ebenfalls zur Kriegspartei.

Zweifellos wäre nirgendwo auf der Welt eine humanitäre Intervention angemessener als im Kongokrieg, der mehr Menschen das Leben gekostet hat als jeder andere Konflikt seit 1945. Doch selbst eine Intervention, die sich nur das Ziel setzt, in Bunia einen safe haven zu schaffen, in den sich die Überlebenden der Massaker im Umland flüchten können, müsste sich mit der politischen Dimension des Konflikts befassen. Wie soll der Kampf zwischen den verfeindeten Milizen beendet werden? Wie können die Warlords entmachtet und ihre Kämpfer, denen ihr Gewehr einen Vorteil im täglichen Überlebenskampf verschafft, davon überzeugt werden, dass Frieden auch für sie von Vorteil ist?

Das Gefühl, »endlich etwas zu tun«, mag beruhigend für die westliche Öffentlichkeit sein, die hin und wieder ihr Herz für die »armen Kinder da unten« entdeckt. Doch die Vorstellung, der weiße Mann müsste nur als Ritter in schimmernder Rüstung auf dem Schlachtfeld erscheinen, um den Schwarzen Zivilisation beizubringen, ist bestenfalls naiv. Nach Angaben von Hilfsorganisationen sind mehr als die Hälfte der Milizionäre in der Region Bunia Kinder. Schon bald werden die Artemis-Krieger vor der Wahl stehen, sich entweder für ihr Nichtstun angesichts von Massakern oder für die Erschießung von Kindersoldaten rechtfertigen zu müssen.

Einen ernst zu nehmenden Beitrag zur Konfliktlösung können Uno und EU ohnehin nicht leisten. Die Uno hat ihre Inkompetenz zuletzt durch die Forderung nach dem Abzug der ugandischen Truppen aus der Region um Bunia bewiesen. Die Ugander hatten Milizen bewaffnet, sie aber auch am hemmungslosen Morden gehindert.

EU-Politiker schwatzen gern von ziviler Konfliktlösung, kürzen aber derweil ihren Entwicklungshilfeetat. Der Verweis auf diese Heuchelei ist nicht nur eine polemische Pointe. Die Warlordisierung zurückzudrängen, ist auch im Kapitalismus nicht undenkbar. Doch der Problemdruck ist offenbar noch nicht groß genug, als dass man über Maßnahmen wie den Rückkauf von Waffen, Integrationsprogramme für Kindersoldaten oder gar Sanktionen gegen Konzerne, die von den Warlords angebotene Bodenschätze kaufen, nachdenken würde. Solange Handys mit dem geplünderten Coltan zuverlässig piepen, kann Afrika das Spielfeld für europäische Machtpolitik und abendländischen Paternalismus bleiben.