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Schnee im Sommer

Metallerstreik. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass die deutschen Gewerkschaften in die Defensive geraten sind, dann wurde er am vorigen Wochenende geliefert. Nachdem die Verhandlungen der IG Metall mit den Unternehmern über die Einführung der 35-Stunden-Woche für die ostdeutschen Metallbetriebe gescheitert waren, verkündete die Gewerkschaft nicht die Ausweitung des Streiks, sondern dessen Einstellung. Der Streik wurde ergebnislos abgebrochen. »Die bittere Wahrheit ist: Der Streik ist gescheitert«, sagte der Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel. Anders kann man es allerdings nicht bezeichnen, wenn eine Gewerkschaft einfach aufgibt.

Am 2. Juni hatte Zwickel noch gesagt: »Am Ende muss die 35-Stunden-Woche kommen, erst dann hören wir auf.« Dann aber machten die Bundesregierung, die Opposition, die Wirtschaftsverbände und viele Wirtschaftswissenschaftler kräftig Stimmung gegen den Streik.

Eine kleine Zitatenlese: »Mit jedem Tag wird der Schaden für den Aufbau Ost größer.« Wolfgang Böhmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt; »Das macht alles kaputt.« Hans-Werner Sinn, Leiter des Ifo-Instituts; »Es geht offenbar darum, keine weiteren neuen Arbeitsplätze im Osten entstehen zu lassen.« Georg Milbradt (CDU), Ministerpräsident von Sachsen; »Ich halte den ganzen Streik für aberwitzig.« Angela Merkel, Vorsitzende der CDU; »Das ist ein Konflikt zur falschen Zeit am völlig falschen Ort.« Wolfgang Clement (SPD), Bundeswirtschaftsminister; »Ein Streik in der jetzigen wirtschaftlichen Lage passt in die Landschaft wie Schneefall in den Sommer.« Edmund Stoiber (CSU), Ministerpräsident von Bayern.

Und tatsächlich war der Streik wie Schnee im Sommer. Er schmolz dahin. Wie die Zukunft der deutschen Gewerkschaften aussieht, skizzierte derweil Norbert Walter, der führende Volkswirt der Deutschen Bank: »Die Deutschen werden sich in diesem Jahr neu orientieren, und da sieht es für die Gewerkschaften nicht gut aus.« Vielleicht sollte sich der DGB rechtzeitig auflösen, bevor es zu Übergriffen kommt.

Die Strafe Zypries

Justizreform. Statt zu streiken, wollen die Menschen hierzulande noch viel mehr arbeiten. Doch was Arbeit für den Menschen bedeutet, drückte in der vergangenen Woche auf geniale Weise die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) aus. Sie sagte der Berliner Zeitung, künftig sollten Straftäter stärker zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden.

Das Ziel sei es, bei leichten und mittleren Delikten Haftstrafen zu vermeiden. »Dadurch wollen wir erreichen, dass die Überbelegung in den Gefängnissen abnimmt und die Länder finanziell entlastet werden.« Anstelle von Geldstrafen und kurzen Bewährungsstrafen solle demnächst auch gemeinnützige Arbeit möglich sein. »Der Täter leistet damit einen Dienst an der Gemeinschaft«, sagte Zypries und fasste damit in einem kleinen Vorschlag zusammen, was manche Kritiker auf tausend Buchseiten nicht erklären können. Die schlichte, einfache, klare und für jeden verständliche Botschaft lautet: Arbeit ist eine Strafe.

Hungern für Arbeit

Bahn AG. Wie unangenehm Arbeit auch sein kann, sie trägt doch in den meisten Fällen nicht unerheblich zum Lebensunterhalt bei. Das wissen auch die 24 Mitarbeiter des Bahnbetriebswerks in Leverkusen-Opladen, die mit einem Hungerstreik, an das Werktor gekettet, für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen. Ein 42 Jahre alter Schlosser, der auch das Trinken verweigerte, musste sogar auf die Intensivstation einer Klinik gebracht werden, berichtete das Neue Deutschland. »Uns sind die Hände gebunden«, rechtfertigte sich die Sprecherin der Bahn AG, Christine Geißler-Schild. »Die Arbeit fehlt uns.«

Und sie wird noch weniger werden. Einem Bericht des Focus zufolge, will die Bahn AG mehrere Millionen Euro an der Wartung der ICE-Züge einsparen. Sie sollen statt nach 60 000 Kilometern Fahrt erst ab 80 000 gewartet werden. Erst der Profit, dann die Sicherheit. Ihr Hartmut Mehdorn.

Sitzen im Notstand

Friedensbewegung. Das Ordnungsamt der Stadt Frankfurt/Main hat Ermittlungen wegen des Vorwurfs einer Ordnungswidrigkeit gegen 1 273 Personen eingeleitet, die sich an Sitzblockaden vor der US-Airbase in Frankfurt/Main während des Irakkrieges beteiligten. Nun drohen den Demonstranten Geldbußen in Höhe von 100 Euro zuzüglich einer Verwaltungsgebühr von 18 Euro. Wie das Komitee für Grundrechte und Demokratie mitteilte, wollen die Betroffenen Einspruch gegen die Bußgeldbescheide erheben. »Da der Angriffskrieg gegen den Irak sowohl gegen das Grundgesetz als auch gegen das Völkerrecht und das Gewaltverbot der UN-Charta verstoßen hat, liegen Gründe für einen rechtfertigenden Notstand vor«, argumentiert das Komitee.

Die Stadt Frankfurt unternimmt mit den Bußgeldverfahren vor allem etwas gegen ihren finanziellen Notstand. Insgesamt könnten bei einem Erfolg der Verfahren 160 000 Euro in die Kasse der Stadt fließen.

Der Aufschwung ist da

Arbeitslosenzahlen. Die gute Nachricht zum Schluss: Die Arbeitslosenzahlen könnten sinken. Denn nach einem Erlass der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg sollen die Vermittler auf den Arbeitsämtern zukünftig Arbeitslose, die sich krank melden, aus der Statistik streichen. Der neueste Plan zur Senkung der Arbeitslosenzahl lautet: mehr Kranke, weniger Arbeitslose. Deutschland denkt sich eben immer wieder etwas aus.