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Instant-Bewegung: Flash Mobs philipp albers

Flash Mobs auf allen Kanälen. Alle machen es, und noch mehr berichten darüber. Die per Internet und Handy organisierten Massenzusammenkünfte mit ihren sinnlos-langweiligen Kurzaktionen sind das heißeste Ding des Sommers. In Berlin ging es letzte Woche mit einem schlecht inszenierten Coup eines großen Radiosenders los, und auch in der deutschen Provinz (Heilbronn!) wird jetzt schon geflashmobbt, was das Zeug hält. Wohl kaum jemals zuvor ließ sich die mediale Hype-Eskalation einer vorgeblich subkulturellen Bewegung schneller und luzider beobachten als bei Flash Mobs.

Gerne wird in Berichten über Flash Mobs der amerikanische Netztheoretiker Howard Rheingold zitiert, der bereits vor einem halben Jahr in seinem Buch »Smart Mobs: The Next Social Revolution« die Spontanzusammenrottungen per elektronischer Kommunikation vorausgesehen hat. Er und andere Netzenthusiasten sprechen davon, dass Flash Mobs völlig neue Formen spontaner sozialer Aktivitäten ermöglichten und dass die Menschen auf diese Weise »den öffentlichen Raum für sich zurückerobern« könnten. Und das auch noch mit Spaß, jenseits jeglicher ideologischer Präferenzen.

Neu sind solche Ideen nicht. Inszenierte Gruppeninterventionen in den öffentlichen Alltag zum Zweck der Irritation und der Verunsicherung durch absurdes Verhalten können auf eine lange Tradition zurückblicken, dazu braucht es weder Handy noch Internet. Erinnert sei nur an die Situationisten oder an Howard Garfinkels ethnomethodologische Experimente, die die Regeln sozialen Verhaltens offenbarten, indem sie sie außer Kraft setzten. Und die 68er schoben gerne stundenlang leere Einkaufswagen durch die Supermärkte, um den Konsum aufzuhalten. Selbst Christoph Schlingensief gelang es 1998 mit seiner Chance-2000-Bewegung noch, bei einem spontanen Gemeinschaftseinkauf im KaDeWe einen Rausschmiss und etliche Festnahmen zu provozieren.

Flash Mobs gerieren sich als innovativ-hedonistischer Take Off solcher Interventionsinszenierungen, entpuppen sich aber als ihre massenmedial taugliche letzte Schwundstufe. Irritationspotenzial gleich Null. Mit seniorengymnastischen Hüpf- und Klatschübungen, die dazu noch live über den Äther gehen, ist kein Quadratzentimeter öffentlichen Raumes zurückzuerobern. Und mal ehrlich: Spaß macht das doch auch nicht. Wie also mit der Hypehysterie umgehen? Die beste Strategie ist wohl immer noch, schlechten Schwachsinn mit gutem Schwachsinn zu kontern. Als erster in Bezug auf Flash Mobs hat das jetzt der Berliner Unternehmer Rafael Horzon vorgeführt. Auf seiner Website modocom.de reklamiert er, mal wieder der erste gewesen zu sein. Ein Bild zeigt eine nächtens auf einem Gehsteig in Mitte herumstehende Menschenmenge, darunter heißt es: »Am Samstag, 26. Juli, fand in Berlin der ›1. Berliner Flash Mob‹ statt. Mehrere hundert Menschen versammelten sich um 21.57 Uhr vor einem Möbelhaus in der Torstraße 68. Nach exakt fünf Stunden löste sich die Versammlung blitzartig auf. Die Verkäuferinnen, die zu dieser Zeit nicht anwesend waren, reagierten entsetzt und verstört.« Direkter gesagt: Liebe Flash Mobber weltweit, bitte löst euch und eure Bewegung blitzartig auf, dann wären wir vielleicht endlich ein wenig verstört.