So nicht, Herr Koch!

Das Modell Hessen von stefan wirner

Eines der ersten Opfer des rot-grünen Reformeifers ist zweifellos der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Er kommt einfach nicht mehr hinterher, obwohl er einst der Vorreiter war, wenn es um Vorschläge zur Zerschlagung des Sozialstaats ging.

Nachdem er im Jahr 2001 den US-amerikanischen Bundesstaat Wisconsin besucht hatte, stellte er den Deutschen das Modell des »aktivierenden Sozialstaats« vor. Wer in Wisconsin Sozialhilfe beantragt, bekommt erstmal einen »Coach« statt Geld. »Wir sind zu weich beim Zwang und zu schlecht bei der Hilfe«, sagte Koch damals. Deshalb solle sich, wer in Hessen arbeitsfähig sei und sich einer Beschäftigung verweigere, »auf ein sehr bescheidenes Leben bis hin zur Wohnunterkunft einrichten«. (Jungle World, 34/01)

Zwei Jahre später muss Koch nun erleben, wie die rot-grüne Regierung all das, was er einst forderte, in die Tat umsetzt. Vielleicht fühlte er sich deshalb bemüßigt, in der vergangenen Woche in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung noch einmal darzulegen, was er sich Fieses und Gemeines für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger ausgedacht hat.

Doch was er aufzählt, überrascht in Zeiten der Agenda 2010 keinen mehr. »Arbeitslosen- und Sozialhilfe werden auf dem Niveau der Sozialhilfe zusammengelegt.« Gähn. »Es werden finanzielle Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung im Niedriglohnsektor gesetzt.« Schnarch. »Wer staatliche Leistungen empfängt, muss eine Gegenleistung in Form von Arbeit erbringen.« Pfff. »Wer trotz Erwerbsfähigkeit nicht bereit ist, eine angebotene Arbeit anzunehmen, muss mit empfindlichen Sanktionen rechnen, bis hin zur vollständigen Streichung seines Sozialhilfe-Regelsatzes.« Gähn, schnarch, pfff.

Außer der Forderung nach einer »Dezentralisierung des neuen Leistungsrechts«, womit Koch offensichtlich freie Hand für seine Maßnahmen in Hessen erhalten will, hat er nichts substanziell Unsozialeres als die Bundesregierung zu bieten. Eigentlich hätte man sich von ihm wenigstens die Forderung nach der völligen Abschaffung des Arbeitslosengeldes oder nach der Unterbringung aller Sozialhilfeempfänger in Sozialcentern erwartet.

Die Zerschlagung der Gewerkschaften oder die Umverteilung der Arbeitsplätze von Ausländern an Deutsche hätte man doch auf seiner brutalstmöglichen Agenda vermutet. Stattdessen muss Koch eingestehen, dass die Bundesregierung »inzwischen auch zu ihrem Motto erklärt hat: ›Fördern und Fordern‹«.

Kochs Schwächeanfall belegt, dass der Rechtspopulismus es in Zeiten einer rot-grünen Regierung schwer hat. Rot-grün verpackt, wirkt das vorgesehene Verarmungsprogramm für die Unterschicht wie ein Aufputschmittel für die Nation. Die Bundesregierung bietet Handfestes. Der jüngste Plan lautet: Arbeitslose sollen zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden. Früher wäre Koch so etwas eingefallen.

Neben Politikerinnen wie der grünen Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt oder dem Kahlschlagexperten Bert Rürup wirkt er inzwischen wie ein x-beliebiger Gegner der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger. So wird er nie Kanzler.