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500 auf einen Streich

Antirassistisches Grenzcamp. Wer hätte das gedacht? Es waren doch nicht die angeblichen Steinwürfe, die zur Räumung des 6. Antirassistischen Grenzcamps in Köln auf den Poller Wiesen am Samstag vorletzter Woche führten. Ganz im Gegenteil, die Polizei hatte die Aktion offensichtlich bereits im Voraus geplant. Wie jetzt bekannt wurde, warnte der WDR bereits um sieben Uhr morgens die Kölner Autofahrer vor erheblichen Verkehrsbehinderungen im Stadtteil Poll, da die Polizei mit 2 500 Einsatzkräften »den Abbau des Camps begleite«.

Ziel dieser schon zahlenmäßig unverhältnismäßigen Aktion – es befanden sich zur Zeit der Belagerung nur ungefähr 500 Menschen in dem Camp – war eine »hundertprozentige Personalerfassung«, wie die Einsatzleitung bekannt gab. Das geschah in diesem Fall natürlich nicht mit Personalfragebögen, sondern durch die Ingewahrsamnahme der Anwesenden und ihre erkennungsdienstliche Behandlung inklusive Einzellichtbild. Außerdem wurden von den über 400 Personen, die bis in die frühen Morgenstunden im Polizeikessel blieben, so genannte Bewegungsprofile erstellt, ein biometrisches Merkmal, das in Deutschland noch nicht zur Strafverfolgung zugelassen ist.

Welche Konsequenzen sich für die Einzelnen und für die antirassistische Bewegung aus dieser Demonstration staatlicher Kontrollmacht ergeben werden, ist noch nicht absehbar. Die Kriminalisierung antirassistischer Politik ist jedenfalls erfolgreich verlaufen. Für weite Teile der Medienwelt scheint diese Art der Repression eine legitime Antwort auf blockierte Flughafengates und Farbbeutel an Behörden zu sein.

Off Limits

Deutsch-amerikanisches Verhältnis. Deutschland ist in Gefahr. Besonders seine Rüstungsindustrie, denn ihr droht der Ausverkauf an US-Konzerne. Zumindest sieht das die Bundesregierung so.

Am Montag dieser Woche lud Bundeskanzler Gerhard Schröder ein Vorstandsmitglied von Daimler-Chrysler, Manfred Bischof, ins Kanzleramt zu einem Gespräch, wie die Berliner Zeitung berichtete. Die Bundesregierung habe demnach erhebliche Vorbehalte gegen einen Verkauf des Daimler-Tochterunternehmens MTU an US-amerikanische Investoren. Denn zu den Kaufinteressenten soll auch die so genannte Carlyle-Gruppe zählen, deren Führung der frühere Präsident George Bush senior und verschiedene ehemalige Außen- und Verteidigungsminister der USA angehören sollen.

Auch die HDW-Werft in Kiel soll bereits im vergangenen Jahr an einen US-Investmentfonds verkauft worden sein. Bundeskanzler Schröder plädiert inzwischen für einen Rückkauf: »Wir hätten Interesse an einer deutschen Lösung.«

Um ähnliche Verkäufe in der Zukunft zu verhindern, plant die Bundesregierung offenbar eine Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes. Der Verkauf von mehr als 25 Prozent des Kapitals eines Rüstungsunternehmens soll genehmigungspflichtig werden. Aber ansonsten bewegen sich die deutsch-amerikanischen Beziehungen »wieder in normaleren Bahnen«, wie Bundespräsident Johannes Rau kürzlich in der Welt am Sonntag bekräftigte.

He Otto, hier Horst

Rechtsextremismus. Es geht doch nichts über alte Freunde, die sich mal wieder melden. Bundesinnenminister Otto Schily dürfte sich dennoch nicht allzusehr über den Brief gefreut haben, den ihm sein ehemaliger Mandant Horst Mahler, der inzwischen dem Rechtsextremismus zuneigt, am 3. August schickte.

Darin beschwert sich Mahler u.a. über die Antifa, die ihn bedrohe. Die von Schily »geduldeten Schlägerbereitschaften« träten überall in Erscheinung, »wo sich Deutsche zusammenfinden, die von den unter jüdischem Einfluss stehenden Medien als ›Nazis‹, ›Neo-Nazis‹, ›Rechtsextremisten‹ oder ›Rechtsradikale‹ bezeichnet« würden.

Dann entwirft Mahler noch einmal sein rechtsextremes Weltbild, die Verschwörungstheorien um den 11. September 2001 dürfen nicht fehlen. »Und du weißt nur zu gut, dass ich das Spiel durchschaut habe, das die Juden mit uns – und in gleicher Absicht mit allen Völkern der Welt – treiben.« Schließlich wendet er sich Schily ganz persönlich zu: »Otto, du wirst als Staatsterrorist großen Kalibers in die Geschichte eingehen, der Verbrechern die Hand gereicht hat, denen es um nichts anderes geht als um die Beherrschung der Völker und ihre Ausplünderung.«

Der so Gescholtene überlegt offenbar noch, wie er auf diesen Brief reagieren soll. »Der Brief ist angekommen«, sagte die Sprecherin des Bundesinnenministeriums, Isabel Schmidt-Falkenberg, der Jungle World. Ansonsten kein Kommentar.

Jung, national und europäisch

Heimattreue. Endlich gibt es Umfragewerte, die beweisen, wie es unsere Jugend mit dem Vaterland hält. Das Meinungsforschungsinstitut Emnid fand nach einem Bericht des Spiegel heraus, dass sich 69 Prozent der 18 bis 25jährigen »stark bis sehr stark mit Deutschland verbunden« fühlen. Damit liegt der Nationalstolz der befragten Chemnitzer und Bielefelder Jugendlichen sechs Prozent über ihrer Verbundenheit mit Europa. Solche Meldungen lassen Nationalistenherzen höher schlagen.

Aus allen Ländern der EU und den künftigen Beitrittsländern wurden junge Leute zum Thema »Jugend und Europäische Identität« befragt. Initiatorin der Studie war die International University Bremen (IUB). Das Bekenntnis der deutschen Jugendlichen zu Europa ist demnach im Vergleich mit anderen jungen Menschen auf dem Kontinent sehr stark ausgeprägt. Dass die EU-Mitgliedschaft positive Folgen für Deutschland habe, meinten 64 Prozent.

Die Treue der Deutschen scheint Europa also auch in Zukunft gesichert. Nicht schlecht in Zeiten, da Europa sich anschickt, endlich ein ernst zu nehmender Gegenspieler der USA zu werden.