Friede den Frauen

Vergewaltigung in Schweden

Ob die beiden derzeit in schwedischer Untersuchungshaft sitzenden Eishockeyprofis des EHC Eisbären Berlin tatsächlich eine junge Frau vergewaltigt haben, wird sich wohl frühestens in einigen Wochen herausstellen. Immerhin hat der Fall dazu geführt, dass man sich nun auch in Deutschland mit den Besonderheiten des schwedischen Strafrechts beschäftigt.

Vor allem die Gesetzgebung zum Thema Vergewaltigung ist in weiten Teilen sehr fortschrittlich. Und sie hat Tradition. Vergewaltigung in der Ehe wurde in Schweden bereits im Jahr 1965 als Straftatbestand definiert. 1971 nahm dann eine staatliche Kommission für die Untersuchung von Sexualstraftaten ihre Arbeit auf. Sie sollte die veraltete Gesetzgebung zum Thema Sittlichkeit überprüfen. Schweden galt damals als liberaler Hort der freien Liebe. Die Kommission kam, passend zum damaligen Zeitgeist, zu dem Schluss, dass sich der Staat so wenig wie möglich in das Sexleben seiner Bürger einmischen dürfe. Dass dies auch für das Thema Vergewaltigung gelten sollte, empörte viele Frauen, denn es wurde in der Empfehlung vorgeschlagen, in »minder schweren Fällen« den Täter lediglich zu einer Geldstrafe zu verurteilen. 1977 wurde die hauptsächlich aus Männern bestehende Kommission nach zahlreichen Demonstrationen aufgelöst.

Ein diesmal mehrheitlich mit Frauen besetztes Gremium nahm ein Jahr später die Arbeit auf. Seine Anregungen sollten später in ein Gesetz- und Maßnahmenpaket einfließen, das unter dem Namen »Friede den Frauen« am 1. September 1999 in Kraft trat. Es führte unter anderem zu einem erweiterten Schutz von Verbrechensopfern. Während der Vernehmungen durch die Polizei und auch beim späteren Prozess steht ihnen seither ein kostenloser Rechtbeistand zu, der vom Staat bezahlt wird. Weitere Neuerungen waren, dass Vergewaltigung grundsätzlich als schweres Verbrechen eingestuft wird und Genitalverstümmelung ausdrücklich verboten ist.

Einer der wichtigsten Punkte war zudem die Einführung eines neuen Straftatbestandes, der »schwerer Frauenfriedensbruch« genannt wurde. Ehemänner und Lebensgefährten, die ihre Frauen regelmäßig misshandeln, können demnach einfacher zu Gefängnisstrafen verurteilt werden; zwischen sechs Monaten und sechs Jahren Knast sieht das Gesetz als Strafe vor. Zudem wurden mehr Beratungszentren für die Opfer häuslicher Gewalt geschaffen.

Eine Gesetzesänderung sorgt jedoch bis heute für heftige Diskussionen: Der Kauf sexueller Dienstleistungen wurde unter Strafe gestellt. Erwischte Freier müssen seither mit empfindlichen Geldbußen oder einem Gefängnisaufenthalt von sechs Monaten Dauer rechnen. Prostituierte bleiben dagegen straffrei. Dies sei das Ende der Prostitution, jubelten die Befürworterinnen der neuen Vorschrift und hatten damit definitiv nicht Recht. Denn tatsächlich ist es wohl ziemlich schwierig, Beweise für einen Vorgang zu finden, für den es naturgemäß keine unabhängigen Zeugen gibt. So wurden zwar beispielsweise im Jahr 1999 insgesamt 59 Freier angezeigt, aber nur in drei Fällen kam es auch tatsächlich zu einer Verurteilung. Bis heute werden nur Männer erwischt, die sich ganz besonders trottelig anstellten, wie ein Polizeichef, der von Kollegen im eigenen Auto mit einer Hure ertappt wurde.

Gleichzeitig stieg die Zahl der Vergewaltigungen in Schweden drastisch an – ob als Folge des Gesetzes, ist strittig. In diesem Sommer machten jedenfalls gleich mehrere brutale Fälle Schlagzeilen, und entsprechend empfindlich reagierte die Öffentlichkeit nun auf den Fall der Berliner Eishockeyprofis. Vergewaltigung wird nämlich nicht nur vom schwedischen Gesetzgeber definitiv als schweres Verbrechen betrachtet.

elke wittich