Die Witt, oder wat?

Ostalgieshows im Fernsehen von andreas hartmann

Schlimm, schlimm, schlimm. Wieder einmal hat die Kulturindustrie zugeschlagen. Dieses Mal ist die DDR dran. Sie wird verharmlost. Im Fernsehen. Von Oliver Geissen, Katarina Witt und vielen anderen in den so genannten Ostalgieshows, ohne die inzwischen kaum mehr ein Sender auskommen mag.

Geht es hier wirklich bloß um wieder gefundene Heimatgefühle bei den einen und pure Entdeckerlust bei den anderen? Oder doch – oh Schreck! – um die Verharmlosung eines Unrechtsstaats? Schließlich war die Stasi ja wohl – und das sollte nochmals in aller Deutlichkeit gesagt werden – böse, böse, böse.

Die Schriftstellerin Claudia Rusch, Autorin des DDR-Erinnerungsbuches »Meine freie deutsche Jugend«, meint deswegen: »Ich kann nur dringend raten, alle TV-Entwicklungsleute, die da ihre Hände drin hatten – von ZDF bis RTL –, zur Strafe eine Woche in die PDS-Zentrale von Zwickau oder Eberswalde zu verbannen.« Die Stoßrichtung ist klar: Die Macher von Ostalgieshows müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Denn, so Rusch weiter: »Die DDR war kein Rummelplatz.«

Ganz ähnlich äußert sich inzwischen Leander Haußmann in vorauseilendem Gehorsam, schließlich fühlt er sich als Regisseur des DDR-ist-Pop-Films »Sonnenallee« ein wenig mitschuldig an der DDR-Show-Welle, die er freilich nun »gesamtdeutsche Verschleierungsorgie« nennt.

Rusch und Haußmann machen sich lächerlich. Werden in diesen Ossi-Shows, in denen es primär darum geht, dass jemand den Lipsi tanzt und Haps-Flip-Cocktails getrunken werden, gar Stasi-Opfer verhöhnt oder Mauertote beklatscht? Nein, wirklich nicht, es geht ausschließlich um den Spaß, den anscheinend heute viele beim Futtern von Russisch Brot und Soljanka haben. Man macht sich über etwas lustig, über das man sich nur lustig machen kann: die schlimmen Ostklamotten, die schlimmen DDR-Schlager und den dummen Erich Honecker.

Die Ostalgieshows machen bei Systemkritik nicht Halt und leisten damit das, was man sich auch von den Achtziger-Shows gewünscht hätte, die ausschließlich den Mief in der BRD behandelten und nicht darüber hinauskamen, Karottenjeans und Schweißbänder nachträglich peinlich zu finden. Hier hätte man genauso verlangen können: Wo bleibt der Ernst? Das Leben unter Helmut Kohl war schließlich auch kein reiner Spaß und Deutschland im Herbst auch nicht besser als die DDR im Winter.

Die DDR war nicht nur ein verdammenswürdiger Unterdrückungsapparat. Dem Bedürfnis, dies klarzustellen, kommen die DDR-Unterhaltungsshows in ihren karnevalesken Inszenierungen entgegen. Für den russischen Kulturtheoretiker Mikhail Bakhtin bietet der Karneval die Möglichkeit, Stimmen zu Gehör zu bringen, die dem herrschenden Diskurs widersprechen. Die Kulturindustrie macht dies möglich. Und das an Adornos Geburtstag.