Billige Vorlage

Frankreich plant eine Verschärfung seines Migrantengesetzes

Der »schlimmste Gesetzestext, der in Frankreich seit 1945 hervorgebracht wurde«, ist der Entwurf zur Neuregelung der Ausländergesetze, sagt Michel Tubiana. Er ist der Vorsitzende der Liga für Menschenrechte (LDH). Doch noch wird über die neuen Ausländergesetze (Jungle World, 20/03) beraten. Die Nationalversammlung benötigte im Juli zwar nur zwei Tage, um die von Innenminister Nicolas Sarkozy vorgestellte Vorlage in erster Lesung durchzuwinken. Ende September schlugen jedoch Unterstützungsgruppen für Immigranten Alarm, und auch aus dem Arbeitsministerium kamen Proteste.

Denn weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit war während der parlamentarischen Beratungen ein wichtiger Änderungsantrag durchgekommen. Schon jetzt ist die Beschäftigung ausländischer Staatsbürger, die ohne Papiere in Frankreich leben, strafbar – aber nur für den Arbeitgeber. Er riskiert eine Strafe von 4 500 Euro und drei Jahren Haft, die aber in der Praxis nur sehr selten verhängt wird. Der Beschäftigte hingegen wird bisher eher als Opfer einer solchen Straftat betrachtet, da er ohne soziale Absicherung arbeiten muss. Nach dem Änderungsantrag, der von dem konservativen Abgeordneten Thierry Mariani eingebracht und von Innenminister Sarkozy unterstützt wurde, wäre dagegen künftig auch der Beschäftigte zu bestrafen. Neben einer Geldstrafe drohten ihm drei Jahre Aufenthaltsverbot in Frankreich.

Die Gesetzesänderung hätte vor allem eine Folge gehabt: Kein »illegaler« Immigrant hätte sich mehr getraut, seinen Arbeitgeber wegen unbezahlter Löhne oder nach einem Arbeitsunfall zur Anzeige zu bringen. Es wäre die perfekte Lösung für das alte Problem: Der Staat als ideeller Gesamtkapitalist will das Elend der Dritten Welt außer Landes halten, während mancher Einzelkapitalist gerne über »illegale«, also billige Arbeitskraft aus der Dritten Welt verfügt.

Um ihre Rechte beim Arbeitgeber durchzusetzen, können sich auch »illegale« Immigranten bisher an die inspecteurs du travail wenden, die den Arbeitsschutz überprüfen. Auch wenn dabei die Gefahr besteht, den Job zu verlieren. Doch mit der Gesetzesänderung wären die Arbeitsschutzdezernenten verpflichtet, den Immigranten selbst zur Anzeige zu bringen. Die inspecteurs du travail liefen jedoch Sturm gegen diese Pläne. So sehr, dass auch ihr Vorgesetzter, Arbeitsminister François Fillon, sich gegen die neue Bestimmung wandte.

Im Senat drohte der Streit vergangene Woche, die bürgerliche Rechte zu spalten. In der Nacht zum Freitag wurde schließlich in letzter Minute ein Kompromiss gefunden: Innenminister Sarkozy gab seine Zustimmung, der strittige Gesetzesartikel wurde wieder entfernt. Doch nicht ganz: Wer über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht verfügt – etwa weil er sich im Asylverfahren befindet – und schwarz arbeitet, dem wird der beschränkte Aufenthaltstitel mit sofortiger Wirkung entzogen. Dann kann er abgeschoben werden.

Auch der Kompromiss dürfte somit dafür sorgen, migrantische Arbeitskraft willfährig zu halten. Ausgenommen werden nun nur die, die ohnehin keine Aufenthaltspapiere besitzen. Sie haben schließlich auch keine zu verlieren.

bernhard schmid