Bürgen, bis es quietscht

Die Berliner Bankgesellschaft verliert einen Prozess nach dem anderen gegen ihre ehemaligen Manager. Ein Bürgerbegehren soll dem ganzen Debakel ein Ende bereiten. von peer bruch

Das ist ein Witz, da hat doch ein Aufsichtsrat seine gleichfalls kriminell handelnden Manager entlastet!« empört sich Peter Grottian, streitbarer Politologieprofessor und Mitbegründer der Initiative Berliner Bankenskandal.

Am vergangenen Mittwoch wies das Landgericht eine Schadensersatzklage der landeseigenen Berliner Bankgesellschaft gegen vier ihrer Ex-Manager ab. Die Kammer begründete die Entscheidung damit, dass es »wirksame Entlastungsbeschlüsse« gegeben habe und folglich keine Pflichtverstöße vorlägen.

Somit setzt sich die Kette von Prozess-Schlappen für den stark angeschlagenen Bankenkonzern fort; zwei Wochen zuvor war eine Klage gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden der BerlinHyp und langjährigen CDU-Fraktionsvorsitzenden, Klaus-Rüdiger Landowsky, aus dem gleichen Grund gescheitert. Die Kosten für die verlorenen Prozesse trägt die Bankgesellschaft, allein im jüngsten Fall muss sie rund 1,5 Millionen Euro Anwaltskosten der vier Angeklagten übernehmen, dazu gesellen sich die Prozesskosten und die am hohen Streitwert von 36 Millionen Euro orientierten Honorare der eigenen Anwälte.

Das Scheitern der Prozesse resultiert für Peter Grottian aus einem grundlegend falschen Ansatz: »Die Bankgesellschaft hätte die Zuwendungen an ihre Ex-Manager von sich aus kürzen sollen. Dann hätten diese klagen müssen und nicht umgekehrt. Somit hätte die Beweislast bei ihnen gelegen.«

Die Anwälte der Kanzlei Clifford Chance Pünder, welche die Interessen der Bankgesellschaft und ihrer Tochterunternehmen vertreten, hatten es schon im Prozess gegen Landowsky und andere ehemalige Entscheidungsträger dem Gericht überlassen, den genauen Schaden festzulegen. Hierzu fühlte sich das Gericht aber weder verpflichtet noch in der Lage. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Grünen, Wolfgang Wieland, zeigt sich darum wenig überrascht über das Scheitern der Prozesse. Schlimmer sei, dass nun kaum noch Hoffnung bestehe, die Managerpensionen rechtssicher streichen zu können, sagte er der taz.

Ein weiteres Problem liegt in der relativ kurzen Verjährungsfrist für Wirtschaftsverbrechen. Viele der Beteiligten werden wahrscheinlich nicht mehr strafrechtlich belangt, zumal die Staatsanwaltschaft überfordert scheint und wegen interner Querelen kaum in ihrer Aufklärungsarbeit vorankommt.

Die politische Aufarbeitung des Skandals gestaltet sich ebenfalls als sehr zäh. Im Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses kämpft man sich langsam durch den Wust aus mangelhaftem Controlling, Dilettantismus und Bilanzfälschungen bei der Bankgesellschaft, ihren Immobilientöchtern und den Teilbanken. Freke Over, der als PDS-Abgeordneter im Ausschuss sitzt, sieht insbesondere im Immobilienbereich kriminelle Machenschaften am Werke, die auf eine staatliche Absicherung ihrer fragwürdigen Geschäfte abgezielt hätten.

Jahrelang waren Immobilien zu überhöhten Preisen erworben und in exklusive Immobilienfonds verlagert worden, die den vorwiegend vermögenden Anteilseignern – darunter viele Aufsichtsratsmitglieder des Konzerns – feste Garantien boten. Obwohl sich das Geschäft als Flop erwies, wurden die rechtlich verbrieften Gewinne fleißig ausgezahlt. Vor zwei Jahren kamen die dubiosen Geschäfte ans Licht. Um die Insolvenz der Bankgesellschaft abzuwenden, steckte die inzwischen rot-rote Berliner Landesregierung über zwei Milliarden Euro in den abgehalfterten Finanzkonzern und verbürgte sich die Stadt mit einem Abschirmungsgesetz in Höhe von 21,66 Milliarden Euro für die Risiken aus den Immobiliengeschäften der Bankgesellschaft. Ansonsten wird gespart, »bis es quietscht« (Klaus Wowereit), zum Beispiel bei sozialen Projekten.

Gerade die »Sozialisierung« der Verluste ist es, die den Mitgliedern der Initiative Berliner Bankenskandal aufstößt. Für sie steht der Schutz der Interessen der Bauträger und Fondsanleger im krassen Gegensatz dazu, im sozialen Sektor die Gelder zu streichen. Deshalb haben sie neben ihrer Aufklärungsarbeit ein Volksbegehren initiiert, das darauf abzielt, das Risikoabschirmungsgesetz aufzuheben und die Bankgesellschaft aufzulösen.

Um ihre Aktionen zu koordinieren, treffen sich die rund anderthalb Dutzend Aktiven, von Studenten bis zu rüstigen Rentnern, einmal in der Woche. Der geplante Immobilien-Spaziergang am 18. Oktober, eine Fortsetzung des Grunewald-Spaziergangs im vergangenen Jahr, bei dem man an den »Villen der Profiteure des Skandals« vorbeizog, soll dazu beitragen, wieder mehr Berliner und die Medien für das Thema zu interessieren. Nicht zuletzt soll er das etwas schleppend verlaufende Volksbegehren der Initiative voranbringen.

Freke Over hält die Bürgerinitiative für sinnvoll. Trotzdem hat er Vorbehalte gegen das Volksbegehren: »Das geht so nicht, man kann die Zeit nicht einfach zurückdrehen, stattdessen sollte man sich lieber auf die Steuerungs- und Kontrollinstrumente konzentrieren und die endlich effektiver machen.« Peter Grottian ist da anderer Meinung: »Schlechte Konstruktionen kann man nicht krampfhaft aufrechterhalten.« Man müsse sich von der Last der Bankgesellschaft befreien, um endlich neue Gestaltungsfreiheiten zu bekommen. Das würde dann auch neue Arbeitsplätze schaffen, und zwar erheblich mehr, als man jetzt bei der Bankgesellschaft künstlich am Leben halte.

Beide bemängeln die fehlende Kontrolle über die Bankgesellschaft. Auch der letzte Geschäftsbericht weise erhebliche Lücken auf, sagt Grottian. Over stimmt zu: »Nichts findet da statt, die werden einfach abgeheftet! Bei den Landesbeteiligungen muss sich bei der Besetzung von Aufsichtsräten erheblich etwas ändern. Da sitzen Politiker, ausgediente Fraktionsvorsitzende und politische Beamte, die nicken zu viel einfach ab, statt kritische Fragen zu stellen.«

In ihrem Bestreben, die vor dem Hauptstadtfilz resignierenden Berliner zu mehr politischer Partizipation zu bewegen, stößt die Bürgerinitiative aber sogar bei ihren Unterstützern auf Widerspruch. So drohte die Gewerkschaft Verdi, deren Vertreter ebenfalls in den Aufsichtsräten saßen und teilweise immer noch sitzen, mit dem Start der Kampagne für das Volksbegehren der Initiative ihre Unterstützung zu entziehen. Das Volksbegehren laufe dem Interesse ihrer bei der Bankgesellschaft beschäftigten Mitglieder zuwider, hieß es. Peter Grottian vermutet hinter dem Rückzieher vielmehr den Druck der Personalräte der Bankgesellschaft, schließlich bekomme die Gewerkschaftsbasis doch die herrschenden Missstände ebenso zu spüren.

Derweil zeigt sich an anderer Stelle, dass man immer noch mit Dreistigkeit am besten durchs Leben geht und der Berliner Filz lebt. Anfang des Monats wechselte Frank Bielka, langjähriger Staatssekretär in der Stadtentwicklungs- und Finanzverwaltung sowie Neuköllner SPD-Kreisvorsitzender, in den Vorstand des städtischen Wohnungsbauunternehmens Degewo. Als Aufsichtsratsvorsitzender des gleichen Unternehmens hatte er im vergangenen Jahr einer erheblichen Erhöhung der Vorstandsgehälter bis 190 000 Euro zugestimmt.

Mehr Infos: www.berliner-bankenskandal.de