No Entry

Kosovo-Konferenz in Wien von markus bickel

Das Ziel der dem Nato-Krieg gegen Jugoslawien vorgeschalteten Rambouillet-Konferenz im Februar 1999 brachte Wolfgang Petritsch vielleicht am besten auf den Punkt. »80 Prozent unserer Vorstellungen werden einfach durchgepeitscht«, erklärte der damalige Verhandlungsführer der Europäischen Union kurz vor Beginn der Gespräche zwischen den Delegationen aus Belgrad und Pristina.

Zwar bestreitet Petritsch als Österreichs amtierender UN-Botschafter in Genf bis heute, die vom Spiegel kolportierte Äußerung je von sich gegeben zu haben. Doch vom Duktus und der Stoßrichtung her passt das Zitat in die Zeit unmittelbar vor Beginn des 78tägigen Bombardements: Das Ergebnis der von den Mitgliedern der Balkan-Kontaktgruppe (USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland, Italien) diktierten Gespräche sollte die Loslösung des Kosovo vom serbischen Zentralstaat sein.

Auch wenn das Angebot einer Mitsprache in Brüssel für den Balkan in noch so weiter Ferne liegen mochte, versprachen sich die Staats- und Regierungschefs der EU von der Konferenz Magnetwirkung auf die gesamte Region. Denn nur bei einer erfolgreichen Durchsetzung des zweiten, unausgesprochenen Verhandlungsziels – des Sturzes Slobodan Milosevics – würden »befreite«, d.h. gegenüber Kapitalismus und Demokratie westlichen Zuschnitts aufgeschlossene Eliten in Belgrad den Zugriff der EU auf alle Ex-Tito-Republiken erlauben, von Skopje im Süden bis nach Zagreb im Norden.

Das Ziel der Wiener Konferenz fällt bescheidener aus. Viereinhalb Jahre nach Rambouillet ist von dem vehementen Drang, eine völkerrechtlich tragbare Lösung für das laut Uno-Sicherheitsratsresolution 1244 von Juni 1999 weiterhin zu Serbien-Montenegro gehörende Kosovo zu finden, nicht mehr viel zu spüren. Das in Rambouillet gescheiterte, in den Wochen danach auf militärischem Wege nachgeholte Vorhaben, serbisch-jugoslawische Einheiten aus dem Kosovo zu verbannen, glückte zwar. Mit dem freilich schon vorher absehbaren Wandel der UCK von einer Truppe separatistischer Kämpfer zu lokalen Übergangsverwaltern krimineller und ethnonationalistischer Provenienz verloren die Nato-Staaten das Interesse an ihrer Aushilfsbodentruppe. Auch die zur Amtszeit Milosevics noch für so dringlich befundene Statusfrage schien schon kurz nach Kriegsende nicht mehr so wichtig.

»Standards vor Status«, heißt die von Michael Steiner, dem ehemaligen Chef der UN-Verwaltung Unmik, geprägte Formel, mit der die unablässig auf die Unabhängigkeit drängenden kosovo-albanischen Eliten bei der Stange gehalten werden sollen. Aber das wird dauern: Mehr als 200 000 Vertriebene und Dutzende politische Morde an UCK-kritischen Kosovo-Albanern schlagen für das ethnonationalistische Regime zu Buche – und das unter dem schirmenden Dach von Unmik und Kfor.

Was als Werbefeldzug für parlamentarische Demokratie und marktwirtschaftliche Werte begann, findet in Wien seine betrübliche Fortsetzung. Denn an EU-Aufnahmefeiern vor dem zehnten Jahrestag der »humanitären Intervention« glaubt in Pristina oder Belgrad keiner. Daran werden auch die historischen Händedrücke wenig ändern – schließlich bleibt Steiners zweiter EU-Verkaufsschlager, »Entry statt Exit«, beim ersten offiziellen Aufeinandertreffen serbischer und kosovo-albanischer Verhandlungsdelegationen seit Rambouillet ausgespart. Statt eines erweiterten Engagements in der Region, so die Botschaft des deutschen Diplomaten, sollte Brüssel den exsozialistischen Staaten endlich das Aufnahmeticket in die Union anbieten. In Wien heißt das: »No Entry.«