Um Würste herum

Sportarten im Selbstversuch VI: Damenschwimmen

Will man, nur weil man sich gerade in Südwestfalen aufhält, sein straffes Sportprogramm unterbrechen? Die Antwort ist natürlich ein klares Nein. Also mache ich mich kundig, arbeite einen Plan aus und packe meine Schwimmsachen: Donnerstag, 17 bis 18 Uhr Damenschwimmen (ab 16 Jahre).

Ich betrete die Schwimmhalle um 16.55 Uhr. Irgendetwas ist anders als sonst. Es dauert einen Moment, bis ich weiß, was es ist: Der Geräuschpegel stimmt, aber nichts bewegt sich. Etwa 40 nicht mehr ganz junge Damen befinden sich im Becken und betreiben Aqua-Standing.

Ich nähere mich langsam dem Becken, steige vorsichtig ins Wasser, um nicht zu viele Wellen zu machen. Die Schwimmbrille baumelt um meinen Hals, die einzige ihrer Art im ganzen Raum. Das Becken ist klein, 25 Meter Länge inklusive Nichtschwimmerbereich, der durch ein Seil abgetrennt ist, zehn Meter Breite. Die Frauen, die sich nicht am Beckenrand oder im Nichtschwimmerbereich unterhalten, paddeln unmerklich auf bunten Schaumstoffwürsten umher, mit denen sie jeweils eine Gesamtbreite von etwa zwei Metern erreichen. Fünf von ihnen könnten somit das Becken komplett sperren. In der Regel treiben aber Zweier- bis Vierergrüppchen durch die kaum bewegten Fluten, besprechen die jüngsten und die kommenden Arztbesuche und recken die bemützten Köpfe so weit wie möglich aus dem Wasser.

Ich überlege, ob ich den Belegungsplan des Schwimmbads richtig gelesen habe. Hieß es dort wirklich »ab 16 Jahre«? Nicht etwa »ab 60 Jahre«? Oder bezog sich die Altersangabe auf die Bademützen? Sobald ich meine Schwimmbrille aufsetze und ein paar Züge schwimme, komme ich mir vor wie Franziska van Almsick. Pfeilschnell scheine ich mich durchs Wasser zu bewegen, jedoch immer wieder jäh gestoppt von Barrieren aus Damenkörpern und Schaumstoffwürsten.

Sie lassen mich nicht durch, treiben mich in Sackgassen. Stop & Swim. Erhöhtes Damenaufkommen auf den nicht vorhandenen Bahnen. Immer wieder stoße ich gegen ein Damenbein. Meine Rüpelei ist mir peinlich, ich versuche, hinter der Chlorbrille freundlich zu lächeln, um das erschrockene Gesicht vor mir zu beruhigen. Die Verzweifelung treibt mich an den Beckenrand. Ich überlege, ob ich meiner Qual ein Ende bereiten soll, will dann aber doch noch nicht aufgeben.

Schließlich fällt mir auf, dass nach mir keine weitere Dame das Bad betreten hat. Und dass es nach einer halben Stunde merklich leerer wird.

Ich schöpfe Hoffnung; die Strecken, die ich ungehindert schwimmen kann, werden länger. Um 17.35 Uhr ist noch eine Handvoll Bademützen im Wasser, die Schaumstoffwürste stapeln sich am Beckenrand. Fünf Minuten später plaudert nur noch eine Dame mit dem Bademeister, ich habe alles für mich, bin glücklich, fühle mich wie ein Fisch im Wasser. Naja, fast. Zum Schwimmen ist das Wasser nämlich eigentlich viel zu warm. Und überhaupt ist die Freude kurz. Um 17.45 Uhr werde auch ich freundlich aufgefordert, das Becken zu verlassen, weil der Schwimmverein, der ab 18 Uhr dran ist, nicht nur das Wasser, sondern auch die Umkleidekabinen für sich haben soll.

Andere Bäder, andere Sitten.

regina stötzel