Wie Marlene

Bob Dylan gönnt sich die Allüren eines Weltstars und verknappt das Bildangebot, das von ihm existiert. So what? von martin krauss

Wann wird aus einem Musiker eigentlich ein Weltstar? Warum wird aus Alexander, aus Juliette und nicht mal aus Daniel Küblböck jemals etwas Anständiges werden, obwohl sie doch durch freie und geheime Wahlen sogar zu Superstars ausgerufen wurden? Es ist die gleiche Frage, warum Wolfgang Niedecken immer noch Wolfgang Niedecken ist und kein Bob Dylan. Niedecken singt Sat.1-Erkennungsmelodien, stellt sich fürs ZDF in Boxringe und ruft zur Wahl von sozialdemokratischen Bundeskanzlern auf.

Bei Alexander, Juliette, Wolfgang und Daniel ist es also, wenn man von solch schwammigen Kriterien wie Qualität mal absieht, gerade ihre nervige, dauernde, störende, nicht abstellbare, peinliche Medienpräsenz, die aus ihnen Nichtstars macht. Dabei, wenn nur noch ein solch wichtiges Kriterium wie Qualität erfüllt würde, könnte eine Verknappung von Medienpräsenz ihrem Startum durchaus helfen.

Marlene Dietrich wollte gegen Ende ihres Lebens nicht mehr fotografiert werden und brachte sogar das coole Kunststück fertig, ein Interview für einen Dokumentarfilm zu geben, bei dem sie nicht gefilmt wurde. Von Lenin wurde nur eine begrenzte Zahl an Bildern veröffentlicht. Greta Garbo zog sich ganz aus der Öffentlichkeit zurück. Und Diego Maradona schoss mit dem Luftgewehr auf Fotografen, die ihn ablichten wollten.

Die genannten Personen sind Weltstars, den Ruf haben sie sich mit künstlerischen, revolutionären und fußballerischen Leistungen zu Recht erworben. Einerseits. Andererseits haben sie diesen Ruf unter anderm dadurch gefestigt, dass sie für eine Verknappung des Bildangebots gesorgt haben.

Bob Dylan, der noch bis zum 8. November durch Deutschland und Österreich tourt, hat ein Bilderverbot verhängt. Er möchte nicht fotografiert werden. Nicht nur nicht in seiner Privatsphäre, was weniger zu Diskussionen führen dürfte, sondern auch in Ausübung seines Jobs, wenn er auf der Bühne steht, will er nicht fotografiert werden.

Dagegen hat der Deutsche Journalistenverband, die größte Berufsorganisation für schreibende und fotografierende Journalisten hierzulande, protestiert und zum Boykott aufgerufen. »Die freie Berufsausübung der Bildjournalisten ist wichtiger als die persönliche Befindlichkeit von Bob Dylan«, heißt es zur Begründung. Der Verband hat ja nicht ganz Unrecht. Die Arbeitsbedingungen von Journalisten werden von Jahr zu Jahr schwerer, Akkreditierungen (übrigens auch die der Jungle World für das Berliner Konzert von Bob Dylan) werden verweigert. Stattdessen fordern Veranstalter immer dreister, dass sich die Berichterstattung gefälligst in ihr PR-Konzept einzureihen hat.

Aber so recht leuchtet nicht ein, was das mit Dylan zu tun hat. Der hat gar kein PR-Konzept, zumindest kein erkennbares, und dass Dylan Journalisten für sich einspanne, lässt sich gewiss nicht behaupten. Der lässt sie ja gar nicht an sich ran.

Auch leuchtet nicht ein, warum der Verband sich ausgerechnet bei Dylan zur irrwitzigen Methode des Boykotts entschlossen hat, und dass er, wenn etwa Muhammad Ali auf der Frankfurter Buchmesse eine neue Biographie vorstellt und dabei kein Wort zur Presse sagen möchte, dies akzeptiert. Und, weitergedacht, warum, wenn man jemanden wie Ali nicht zum Sprechen bringen, gar zwingen könnte, man dann jemanden wie Dylan dazu nötigen könnte, sich knipsen zu lassen.

Dylan will einerseits Musik machen, andererseits will er nicht fotografiert werden. Ersteres gelingt ihm seit über 40 Jahren. Und letzteres versucht er halt jetzt. Ein Weltstar, der seit Jahren seine »Neverending Tour« zelebriert, der aus Spaß am Auftritt und vielleicht auch, weil er aus einer diffusen Motivation heraus sich dazu getrieben wähnt, in nicht unbedingt größer werdenden Hallen auftritt, will halt wenigstens das Bildangebot, das von ihm existiert, verknappen.

Bob Dylan ist, was seinen Beitrag zur Weltkultur angeht, mit Marlene Dietrich, Lenin, Diego Maradona oder Greta Garbo zu vergleichen. Der Deutsche Journalistenverband hingegen ist den Umgang mit Alexander, Juliette, Wolfgang Niedecken und Daniel Küblböck gewohnt.