Ein Streikchen

Proteste gegen die Rentenreform von federica matteoni

Vier Stunden Streik waren vielleicht zu wenig, um die Regierung zu stürzen. Eine politische Kehrtwende konnte er zwar nicht bewirken, dennoch ging es beim italienischen Generalstreik am vergangenen Freitag nicht nur um die geplante »Gegenreform« des italienischen Rentensystems.

Die schwankende Mitte-Rechts-Koalition kann sich noch gut an 1994 erinnern, als ein erster Versuch Berlusconis, das Rentensystem neu zu regeln, zum Sturz seiner Regierung führte. Den Streik konnte die Regierung nun nicht verbieten, doch eine Fernsehübertragung der Demonstrationen auf den staatlichen TV-Kanälen wurde nicht zugelassen. Wovon das Fernsehen nicht berichtet, das ist auch nicht passiert.

Umso besser: Statt fernzusehen, sind fast zwei Millionen Menschen auf die Straße gegangen. An dem von den drei Gewerkschaftsverbänden CGIL, CISL, UIL ausgerufenen Generalstreik beteiligten sich Arbeitnehmer, Arbeitslose, prekär Beschäftigte, Rentner sowie soziale Bewegungen und Migranten. Von gewerkschaftlicher Einheit konnte jedoch trotz aller harmonischen Rhetorik kaum die Rede sein. Im vergangenen Jahr war der größte italienische Gewerkschaftsverband CGIL unter der Führung Sergio Cofferatis noch in der Lage, alleine Millionen Menschen gegen die neoliberale Offensive der Berlusconi-Regierung zu mobilisieren. Gleichzeitig suchte Cofferati damals die Nähe der sozialen Bewegungen und beteiligte sich aktiv am ersten Europäischen Sozialforum in Florenz. Diese Zeit ist nun vorbei. Cofferati, der als politischer und moralischer Hoffnungsträger einer identitätslosen Linken galt, ist nicht mehr Generalsekretär der CGIL und sein Nachfolger sucht lieber den Dialog mit den anderen Gewerkschaften.

Zwar lauteten am vergangenen Freitag die gemeinsamen Parolen: Nein zum Haushaltsgesetz, nein zur Rentenreform. Doch die heutigen Bündnispartner, die Gewerkschaften CISL und UIL, haben im Juni des vergangenen Jahres einen »Pakt für Italien«, eine Art Bündnis für Arbeit, mit der Regierung geschlossen. Dabei stimmten sie Wirtschaftsreformen zu, die auf die völlige Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse hinausliefen.

Dass innerhalb der Gewerkschaften keine harmonische Stimmung herrscht, beweist die FIOM, die Metallarbeitergewerkschaft der CGIL, die für den 7. November zu einem selbst organisierten Streik mit einer großen Demonstration in Mailand aufruft. »Wir sind zu unterschiedlich, um gemeinsam zu streiken«, bekräftigen Sprecher von FIOM und anderen Basisgewerkschaften, die mit einem »kleinen Streik von einem halben Tag, ohne Inhalte, ohne eindeutige politische Position« nichts zu tun haben wollten. Sie kritisieren vor allem das neue Bündnis der drei großen Gewerkschaftsverbände, die plötzlich als Verteidiger der Arbeiterrechte auftreten. Die hatten zwar die Rentenreform der ersten Berlusconi-Regierung heftig bekämpft. Als die Mitte-Links-Regierung ähnliche Pläne präsentierte, war von ihrem Protest nichts mehr zu sehen.

Die Wiederherstellung der Einheit mit CISL und UIL scheint eine wichtige Voraussetzung für die Einheit des Mitte-Links-Bündnisses vom Olivenbaum zu sein, das sich auf eine neue Regierungsphase vorbereitet. Wobei man sich schon fragen kann, wozu die gewerkschaftliche Einheit oder auch die des Olivenbaums denn gut sein soll, wenn die Inhalte unklar bleiben.