Russisches Comeback

In Kirgisien hat Russland seine erste ausländische Militärbasis seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion eröffnet. peter böhm, taschkent

Neue Basen braucht das Land: Ende Oktober hat der russische Präsident Wladimir Putin im kirgisischen Kant einen neuen Militärstützpunkt der Organisation für Kollektive Sicherheit (OKS) eingeweiht; die OKS ist einer der vielen Zusammenschlüsse einzelner GUS-Staaten. Auf dieser Basis, 20 Kilometer östlich der kirgisischen Hauptstadt Bischkek, werden jedoch ausschließlich russische Kampf- und Transportflugzeuge und Hubschrauber sowie rund 500 russische Soldaten und ziviles Personal stationiert sein. Der Vertrag mit Kirgisien über Kant hat eine Laufzeit von 15 Jahren und kann danach um jeweils fünf Jahre verlängert werden. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist das der erste Militärstützpunkt, den Russland im Ausland eröffnet.

Das russische Engagement in Kant bedeutet, dass Kirgisien nunmehr formal zwei ausländische Luftwaffenstützpunkte berherbergt. Denn seit Dezember 2001 sind auf dem internationalen Manas-Flughafen der kirgisischen Hauptstadt Bischkek, nur 30 Kilometer nördlich von Kant, rund 1 500 Militärangehörige und ihre Flugzeuge stationiert, circa 1 200 davon US-Amerikaner. Im Rahmen der regionalen Operationen der so genannten Anti-Terror-Koalition in Afghanistan sollte von Bischkek aus für Luftunterstützung gesorgt werden.

Als anlässlich der Einweihung von Kant russische Kampfjets durch den strahlend blauen Himmel düsten, hätte man das tatsächlich für eine eindrucksvolle Demonstration russischer Militärmacht halten können. Präsident Putin erklärte, dass mit dieser Basis »Terroristen und Extremisten aller Art« im Zaum gehalten werden könnten. Wen genau er allerdings damit meinte, blieb fast zwei Jahre nach der Entmachtung der Taliban in Afghanistan und drei Jahre nach dem letzten Angriff der von den Taliban geförderten Islamischen Bewegung Usbekistans (IMU) auf Kirgisien unklar.

Doch Putin erklärte auch, dass die russische Militärpräsenz in Kirgisien »permanent« sein werde, die der US-amerikanisch dominierten Koalitionstruppen in Manas jedoch nur bestehen werde, solange die Militäroperationen in Afghanistan andauerten. Offener hatte sich bereits der ehemalige russische Präsident Boris Jelzin geäußert, der im Juli seine Ferien in Kirgisien verbrachte: »Russland ist nicht glücklich darüber, dass amerikanische Soldaten in Kirgisien stationiert sind.« Höflich wiederholte der kirgisische Präsident Askar Akajew bei der Eröffnung von Kant Putins Formel von der Permanenz Kants und der Vorläufigkeit von Manas. Erst im Juni allerdings hatte seine Regierung den Pachtvertrag mit den westlichen Truppen in Manas um drei Jahre verlängert.

Doch die Eröffnung der russischen Basis in Kant hat auch deutlich die Grenzen des russischen Engagements in Zentralasien aufgezeigt. Ursprünglich sollte die Basis bereits im Juni eröffnet werden. Im Sommer war jedoch von den Umbauarbeiten auf dem Flughafen, der schon von der Roten Armee genutzt wurde, so gut wie nichts zu sehen, und so musste Putins Besuch zur Einweihung zwei Mal verschoben werden. Einen Tag vor der tatsächlichen Eröffnung meldete zudem die russische Nachrichtenagentur RIA-Nowosti, um die Basis in Kant »voll funktionsfähig« nutzen zu können, seien umgerechnet sieben Millionen US-Dollar nötig, von denen die russische Regierung jedoch erst 2,6 Millionen investiert habe. Russland ist eben ein Land mit einem Bruttosozialprodukt von der Größe der Niederlande.

Im Gegensatz dazu zahlen die USA etwa an Usbekistan ein Vielfaches an Militärhilfe. Dort, in Khanabad im Südosten des Landes, betreiben sie ihren zweiten Stützpunkt in der Region mit rund 3 000 Soldaten, und die usbekische Regierung hat die Frage nach Permanenz oder Vorläufigkeit der Basis noch nie gestellt.

Dennoch kann man zu Recht von einem russischen Comeback in den vergangenen Monaten in Zentralasien reden – in den »Weichteilen Russlands«, wie die Region wegen der strategischen Bedeutung für das Land dort gern genannt wird. Mit allen Ländern der Region hat der russische staatlich kontrollierte Gaskonzern Gasprom in diesem Jahr neue Verträge geschlossen, obwohl etwa in Kirgisien nichts von Gaslagerstätten bekannt ist. De facto kontrolliert Russland den Erdöl- und Gasexport aus der Region: Noch immer verlaufen alle erwähnenswerten Pipelines von dort durch russisches Gebiet. Zudem hat Moskau vor kurzem unter anderem mit dem ölreichen Kasachstan, das 2015 voraussichtlich zu den fünf größten Erdölexporteuren der Welt gehören wird, vereinbart, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu schaffen. Am deutlichsten wurden die gewachsenen Ambitionen Russlands jedoch, als Außenminister Sergej Iwanow Ende September mehrere Male betonte, Moskau könne in allen Ländern der vormaligen UdSSR militärisch eingreifen, wenn es das für nötig halte.

Dieses verstärkte Engagement Russlands bringt auch neue Möglichkeiten für die Länder Zentralasiens mit sich. Nachdem es in der Folge des 11. September 2001 so aussah, als überlasse Russland das Feld kampflos den USA, bietet das Comeback Moskaus den Ländern der Region nunmehr die Chance, die beiden großen Mächte gegeneinander auszuspielen – und da auch China zunehmend wegen der US-amerikanischen Militärpräsenz an seiner Westgrenze besorgt ist, auch das Reich der Mitte.

Am virtuosesten hat das bislang Tadschikistan vorgeführt, eigentlich das Land der Region, das am stärksten von Russland abhängig ist. Im September erklärte ein hochrangiger Offizier der Grenztruppen plötzlich, sein Land könne auch ohne russische Hilfe auskommen. Die 15 000 Soldaten an der Grenze zu Tadschikistan werden von Russland ausgebildet und zum Großteil auch bezahlt. Gleichzeitig hielt sich in der Hauptstadt Duschanbe so hartnäckig das Gerücht, dass die USA Tadschikistan einen Kredit in Milliardenhöhe gewähren würden, dass der US-Botschafter es dementieren musste. In Tadschikistan stehen Neuverhandlungen über eine Militärbasis mit Russland an; fraglich ist auch, wer künftig welchen Anteil an der Besoldung der Grenztruppen übernehmen wird.

Allerdings hat die Eröffnung der russischen Basis in Kant auch noch eine bedenkliche Entwicklung in den Vordergrund gerückt. Einen Tag vor ihrer Einweihung gab der stellvertretende russische Außenminister Valerie Loschinin bekannt, dass sein Land bereit sei, Kirgisien Experten zur Verfügung zu stellen, die die usbekischen Minen an der gemeinsamen Grenze räumen sollten. Usbekistan hat diese Minen wegen der Angriffe der islamistischen IMU in den Jahren 1999 und 2000 verlegt, sich bislang aber kategorisch geweigert, ihre Lagepläne preiszugeben oder gar über ihre Beseitigung zu verhandeln. Jedes Jahr werden durch diese Minen kirgisische Hirten getötet, und deshalb hat sich die kirgisische Regierung schon oft bei der usbekischen Regierung beschwert.

Ohnehin schwelen zwischen beiden Ländern permanente Konflikte um den Verlauf der gemeinsamen Grenze, um die Gas- und Stromlieferungen zwischen beiden Ländern und um die Verteilung des Wassers des Flusses Syr Daria. Bisher hat Kirgisien mit gut vier Millionen Einwohnern bei diesen Konflikten gegenüber Usbekistan mit 25 Millionen Einwohnern regelmäßig nachgeben müssen. Nicht ausgeschlossen, dass die Militarisierung der Region die Staaten dazu verleitet, ihre Konflikte zu eskalieren.