Sleeper Cell

Hauptquartier, Meldung 3 256

Drei-Tage-Job in Los Angeles: »Regime des Image«. Die verdammte Konnotation bei »Image« lässt sich nicht beiseite schieben, ist einfach da, macht sich breit, dagegen hilft auch kein geistiges Skalpell. Es geht um Kirsten Dunst. Seit »Spiderman« ist sie zur 15-Millionen-Dollar-Frau mutiert. Davor war sie Indie-Heldin in »The Virgin Suicides«, Kinderstar in »Jumanji«. Und jetzt?

Image-Consulting: Wir studieren aktuelle Skripts, alte Filme, rasende KD-Gehirnfilme. Kirsten Dunst bringt dabei meine Auge-an-Gehirn-Koordination durcheinander: Um kommunizieren zu können, benötigen wir Medien. Klar. Dabei ist das Medium aller Medien das Gesicht. Gut ist am Gesicht, erzähle ich jetzt meinem Team, dass es nie nur Gesicht ist, sondern immer auch die Idee des Gesichts. Wenn man 15 Millionen Dollar pro Film verdient, hat man eben das Problem, dass sich mit dem Image das Gesicht ablöst und auf eine Idee überträgt. Das ist alles, was von uns jetzt gefordert wird, dass sich nämlich das Kirsten-Dunst-Super-SurFace-Gesicht in dieser neuen Idee wiederfindet, wo immer es uns außerhalb des Kinos ins Hirn projiziert wird. Das Team nickt.

Drei Tage »Regime des Image« heißt dann auch:

Beobachten. Stehlen. Beobachten. Stehlen. Dann meldet sich Hannah über eine gesicherte Telefonleitung.

»Ich bin hier, ich bin bereit, lass’ es uns tun, jetzt und alles …« – »Was? Was hast du gesagt, Baby?« – »Gehen wir auf dein Zimmer?«

Hannah atmet ein, die Stimme ist rau. Ich lass mich auf unser Bett fallen. »Ich brauche nur einen Moment«, sagt Hannah vom Badezimmer aus, ehe sie die Türe schließt.

Eine Minute Stille. Dann explodieren Gebäude. Flammen schweben quer über den Himmel. Einfach so. Zuerst ein Ballys-Fitness-Studio, Sekunden später ein Ralph-Lauren-Geschäft, sofort danach Starbucks, und schließlich ein Multiplexkino. Jede Explosion erzeugt eine riesige Kumuluswolke aus Flammen und Qualm, die in den Himmel steigt. Und da die sorgfältig platzierten Bomben die Gebäude nach außen in Richtung Gehsteige haben detonieren lassen, verschwinden die Passanten entweder in den Flammen oder segeln wie an Schnüren gezogen über die Straße, bis ihr Flug auf geparkten Autos gestoppt wird. Überall werden jetzt Alarmanlagen aktiviert, der Himmel über Hollywood ist orangerot erleuchtet, gefärbt von zwei kleinen Folgeexplosionen, der Boden vibriert, versteckte Leute brüllen Befehle und Gegenbefehle. Dann herrscht wieder Stille.

Die Badezimmertür öffnet sich. Hannah steht kurz im Türrahmen, die Kapuzenjacke um die Schultern gelegt. Sie nähert sich dem Bett, ich strecke meine Hand aus und versuche, ihre Tätowierung zu berühren. Sie legt sich neben mich aufs Bett. Die Stille hält an. Superästhetik.

Ein Make-up-Girl wischt Hannah die Blutflecken aus dem Gesicht. Der Wind draußen ist nach den Explosionen stärker geworden. Die hohen Kräne für die Kameras werden abgebaut, Stuntmen gratulieren einander und nehmen die Ohrstöpsel raus. Ein Hubschrauber fliegt lärmend über die Szene hinweg, und ein Schauspieler, der wie Jude Law aussieht, schüttelt dem Regisseur die Hand.

Hannah lacht mich an. Wir umarmen uns. Wir sind immer alle Teil einer Szene, in der wir eine Rolle mit unserem Körper als Medium mit den Medien spielen, auf irgendeine Weise Images haben und einen Namen tragen. Wir müssen uns jetzt ausruhen. Was auch helfen könnte: anhaltender Regen.

»Sleeper Cell« erscheint als anonymer Kolumnenroman.