Regenmarsch

Mexiko: Großdemonstration gegen Privatisierung von wolf-dieter vogel

Man vermutet es, seit er im letzten Jahr dem Papst die Hand geküsst hat: Mexikos konservativ-liberaler Präsident Vicente Fox steht mit himmlischen Mächten auf gutem Fuß. Das Ende des säkularen Staates hatte man damals befürchtet, und spätestens am Donnerstag letzter Woche lieferte Petrus den Beweis. Seit Wochen schon ist die Regenzeit in Mexiko-Stadt vorbei, und während im restlichen Stadtgebiet die Sonne schien, zogen über den Zocalo dichte Wolken auf. Just als auf dem zentralen Platz der Stadt die Kundgebung des »Megamarsches« losging, begann ein Regenguss, der die meisten der rund 100 000 Demonstrierenden vertrieb.

Derzeit scheint es tatsächlich so, als müsse der Katholik Fox auf überirdische Mächte zurückgreifen. Seit den Parlamentswahlen im Sommer ist der Politiker der Partei der Nationalen Aktion (Pan) gezwungen, gegen eine absolute Mehrheit im Kongress zu regieren, und mit dem »Megamarsch« haben sich nun auch auf der Straße alle verbündet, die der Regierung ein Ende bereiten wollen: radikale Gewerkschaften wie die der zentralmexikanischen Elektrizitätsarbeiter (SME) oder das Bündnis von Bauernorganisationen El campo no aguanta más (»Das Land hält nicht mehr aus«), aber auch Vertreter der parlamentarischen Opposition, also der PRD (Partei der Demokratischen Revolutionen) und der ehemaligen Staatspartei Pri (Partei der institutionellen Revolution).

Gegen die Privatisierung der Energiewirtschaft, gegen die Einführung einer Mehrwertsteuer auf Medizin und Lebensmittel, gegen den radikalen Abbau der staatlichen Kulturförderung und nicht zuletzt gegen den Nordamerikanischen Freihandelsvertrag (Nafta) gingen die Gewerkschafter, Bauern und Studenten auf die Straße. Mit diesen Themen hatte Fox in letzter Zeit Ärger auf sich gezogen. Tatsächlich durchsetzen konnte er sich aber bislang an fast keinem Punkt, seit er vor drei Jahren der Pri-Regierung ein Ende setzte, die 71 Jahre an der Macht gewesen war. Erfolgreich hat die SME verhindert, dass der Strommarkt für private Anbieter geöffnet wird, und die Bauernverbände konnten Fox zu Verhandlungen in Sachen Nafta-Vertrag zwingen.

Dass jedoch an der Spitze der Demonstrationsblöcke Politiker von PRD und Pri marschierten, beweist, wer aus dem Unmut in erster Linie Nutzen zieht. In Mexiko hat der Kampf um die nächste Präsidentschaft begonnen, auch wenn der Platz im Regierungspalast erst in knapp drei Jahren frei wird. Die linksgemäßigte PRD verfügt über einen hoffnungsvollen Kandidaten: Manuel Lopez Obrador, der Bürgermeister von Mexiko-Stadt, ist der beliebteste Politiker des Landes. Dabei liegt die PRD jedoch unterhalb der 20-Prozent-Marke. Eine Fraktion der gespaltenen Pri versucht, mit einem liberalisierungskritischen und nationalistischen Diskurs Land zu gewinnen. »Gegen den Ausverkauf Mexikos« marschierten einflussreiche Pri-Politiker gegen die wirtschaftliberalen Pläne der Fox-Regierung. So etwa Manuel Bartlett, enger Vertrauter des einstigen Präsidenten Carlos Salinas de Gortari.

Das macht die Sache unangenehm. Noch immer wirken die korporativen Strukturen des Pri-Regimes auch in den letzten Winkeln der Gewerkschaftsbürokratie und der linken Bauernverbände. Dabei waren es Pri-Männer wie Salinas, die seit 1982 eine wirtschaftsliberale Politik entwickelten, die Fox nun lediglich weiterzuführen sucht. Er wird wohl scheitern und als Verlierer in die mexikanische Geschichte eingehen. Ob sich aber eine Kraft durchsetzen wird, die den alten Pri-Apparat links liegen lassen kann, ist nicht ausgemacht. Bei den jüngsten Wahlen konnte die Pri jedenfalls kräftig zulegen.