Auf Regen folgt Sonne

Erst die Jahrhundertflut, dann die Jahrhundertdürre. Auch in Deutschland wird der Klimawandel spürbar. Vor allem die Landwirte erleiden wirtschaftliche Einbußen. von jan süselbeck

Auch das noch! Das Bier soll teurer werden. Dies sei nicht zuletzt eine Folge der extremen Hitze im vergangenen Sommer, die auch die Hopfenernte stark beeinträchtigte, erklärten Vertreter der Brauwirtschaft im November auf einer Fachmesse in Nürnberg. Die Trockenheit habe zur schlechtesten Ernte seit mehr als 50 Jahren geführt. In Hessen müssen die Biertrinker inzwischen durchschnittlich schon 6,8 Prozent mehr bezahlen.

Der so genannten Jahrhundertflut in Ostdeutschland im Jahr 2002 folgte eine extreme Dürre im Jahr 2003. Wegen der lang anhaltenden Trockenheit sanken die Wasserstände der deutschen Flüsse, so dass Schiffahrtsverbindungen auf dem Rhein und der Elbe wegen des niedrigen Pegels zeitweise eingestellt werden mussten und tausende Fische starben. Atomkraftwerke, die ihr Kühlwasser aus den Flüssen beziehen, mussten ihre Leistung reduzieren, woraufhin an der Leipziger Strombörse die Großhandelspreise für Strom anstiegen. Die Spree in Berlin führte im August nur noch so wenig Wasser, dass sie in der Mündung zum Müggelsee durch den dort entstehenden Sog sogar begann, rückwärts zu fließen.

Damit wurden im vorigen Sommer die Warnungen internationaler Expertengremien, wie des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), bestätigt. Überschwemmungen und extreme Dürren sind verschiedenen Studien zufolge nur zwei Wirkungen derselben Ursache, nämlich Folgen der andauernden Aufheizung des Weltklimas.

Im Jahr 2001 berechnete das IPCC für das vergangene Jahrhundert eine Erderwärmung von 0,6 Grad Celsius. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts könnte eine Erwärmung um weitere 1,4 bis 5,8 Grad erfolgen. Die Polkappen und die Gletscher, die wichtigsten Wasserreservoire der Erde, drohen abzuschmelzen.

Von 6,2 Milliarden Menschen litten bereits im Jahr 2001 1,7 Milliarden unter extremer Wasserknappheit. In weniger als 30 Jahren könnten es bereits fünf Milliarden von den dann vermutlich acht Milliarden Menschen sein, die nichts mehr zu trinken hätten, warnt das IPCC. Die akute Wasserknappheit stelle die größte Bedrohung dar, der die Menschheit je ausgesetzt gewesen sei. Schon heute stürben mehr Menschen an ungenießbarem Trinkwasser als an Aids.

Der »Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen« behauptet, dass sich die Temperatur der Erde in den kommenden Jahrzehnten nur um weitere 1,4 Grad erhöhen dürfe, sonst drohten in Europa die Ausbreitung der Malaria, Ernteausfälle, Dürre, aber möglicherweise auch der Beginn einer Kältephase wegen des Ausfalls des Golfstroms.

Nun scheint also auch ein privilegiertes Land wie Deutschland mit dem Klimawandel zu tun zu bekommen. Sowohl die Dürre als auch die vorhergegangene Flut waren die schlimmsten seit dem Beginn wissenschaftlicher Wetterbeobachtungen in Deutschland. Der Deutsche Bauernverband (DBV) beklagte wegen der »Jahrhunderttrockenheit« im vergangenen Sommer »erschreckende Missernten« und »Existenzgefährdungen«. Demnach zeichneten sich nach der verfrühten Gersten- und Rapsernte in ganz Deutschland auf rund 3,5 Millionen Hektar »teilweise katastrophale Einbußen in der Getreideernte ab, die auf rund eine Milliarde Euro zu beziffern sind«. Nach Schätzungen des Bauernverbandes lag die Getreideernte in diesem Jahr noch um zehn bis 15 Prozent unter der Vorjahresernte, die bereits durch Hochwasser und starke Regenfälle beeinträchtigt war.

Es gab Probleme beim Wachstum von Zuckerrüben, Kartoffeln und Mais sowie von Wiesen und Weiden, hieß es in einer Presseerklärung des Bauernverbandes. In Teilen Deutschlands sei die Futterversorgung für die Milchviehhaltung, die Mutterkuhhaltung und die Bullenmast in Bedrängnis geraten. Anni Neu, die Pressesprecherin des Verbandes, bestätigte, »ernste Liquiditätsengpässe« hätten es manchen Landwirten nach dem Sommer unmöglich gemacht, neues Wintersaatgut einzukaufen. Die Bauern forderten seit langem staatliche Absicherungen gegen die wachsenden Wetterrisiken. Hierfür sei die Regierung jedoch »nicht aufgeschlossen«.

Auch die großen Versicherungsgesellschaften setzen in dieser Frage auf den Staat. In einer im März 2001 veröffentlichten Presseerklärung der Münchener Rückversicherungsgesellschaft heißt es: »Nach Naturkatastrophen wie Trockenheit, Sturm oder Überschwemmung erhalten die meisten Landwirte in Europa keine adäquate Unterstützung. Eine Risikopartnerschaft zwischen Landwirtschaft, Staat und Versicherungswirtschaft hätte in Europa große Vorzüge und würde Wettbewerbsnachteile beseitigen.« Der Pressesprecher der Münchener Rück, Florian Wöst, sagte, nun sei definitiv »der Staat am Zug«. Zudem gelte es, »angesichts der wachsenden Schadensrisiken auch im landwirtschaftlichen Bereich die Eigenvorsorge des Versicherers mit anzuregen«. Auch hier gilt also wie überall das Konzept der Eigenverantwortung.

Hilfe bekamen die Bauern bisher vor allem von der EU. Insgesamt 90 Millionen Euro wurden für diejenigen deutschen Landwirte bewilligt, die je nach regionalem Ausmaß der Dürre zwischen 20 und 30 Prozent Einkommensverluste vorweisen konnten. Franz Fischler, Mitglied der Europäischen Kommission und zuständig für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Fischerei, sagte diese Hilfe am 11. November 2003 zu. Die Landwirte treiben aber auch selbst schon Vorsorge. Die Bauern versuchten, in der Saatgutwahl und den Düngemethoden je nach der Bodenbeschaffenheit und den klimatischen Verhältnissen der Regionen den gewandelten Risiken präventiv zu begegnen, sagte Neu.

Außer für die Landwirtschaft und die Binnenschifffahrt könnte die Dürre des Jahres 2003 auch noch Folgen für die Forstwirtschaft zeitigen. Die »Schutzgemeinschaft Deutscher Wald« schätzt, dass wegen der Dürre jeder vierte Baum in Deutschland geschädigt sei. Die Folgen der Dürre würden allerdings erst im kommenden Jahr »voll durchschlagen«, sagte der Bundesgeschäftsführer der Schutzgemeinschaft, Bernd Krebs, dem Spiegel.

Nach Angaben von Birgit Kleinschmit und Hartmut Kenneweg von der TU Berlin, die der Arbeitsgruppe Forstlicher Luftbildinterpreten (AFL) angehören, sind die Anfänge dieser Waldschäden in verschiedenen Regionen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz bereits zu beobachten. Die beiden Wissenschaftler erwarten eine massenhafte Vermehrung von Borkenkäfern, Insekten und Pilzschäden, die zum Absterben ganzer Bestände führen.