Sag mal, …

Neue Interviewzeitschrift Galore

Zeitungsredaktionen werden immer noch vom Stellenabbau gebeutelt, etablierte Zeitschriften klagen weiterhin über die Anzeigenflaute, und dennoch lautet der aktuelle Trend auf dem Printmarkt: Gründe dein eigenes Schmökerblatt. Die Herausgeber verfolgen beim Lancieren ihrer Produkte ganz unterschiedliche Strategien. Für Neon, das Magazin für die Post-jetzt-Generation, wurde mit einer Testausgabe erst vorsichtig der Markt sondiert, bevor man sich nun entschlossen hat, die Zeitschrift, deren zweite Ausgabe erschreckend profillos wirkt, regelmäßig herauszubringen. Dummy dagegen, das Infotainment-Lifestyle-Blatt aus Berlin, ist stolz darauf, mit der ersten Ausgabe ein Selbstausbeutungsprodukt hergestellt zu haben, von dem vorher niemand wusste, wer dies überhaupt kaufen würde.

Galore, das neue Interviewmagazin aus dem Dortmunder Visions-Verlag, geht nun den denkbar bequemsten Weg. Die anstrengende Fleißarbeit, in Deutschland überhaupt erst das Bedürfnis nach einem Magazin zu wecken, in dem es ausschließlich längere Interviews zu lesen gibt, hatte bereits das vor kurzem von Berlin nach Hamburg umgezogene, zweimonatlich erscheinende Magazin Alert übernommen. Erst nach vielen Jahren und erst beim zweiten Versuch, scheint sich Alert inzwischen einigermaßen etabliert zu haben und als nicht unwichtiges Magazin für Popkultur und mehr wahrgenommen zu werden. Für Alert wird es nun jedoch schwer werden, das deutet die erste Ausgabe von Galore bereits an. Denn ob es tatsächlich gleich zwei Interviewmagazine hierzulande braucht, die dazu noch ziemlich exakt dasselbe Spektrum abdecken, ist mehr als fraglich.

Wie genau Galore in seinen nächsten Ausgaben – die Zeitschrift soll vierteljährlich erscheinen – aussehen wird, kann man nur erahnen. Die erste Nummer ist mehr eine Art Einführungs-Großkotz-alles-muss-rein-Ausgabe geworden. Jeder, dessen Promi-Status unermesslich groß ist und den ein Interviewer des Stammblattes Visions – ein Rockmusikmagazin – in den letzten zehn Jahren vor das Mikro bekommen hat, wird nochmals in mehrseitigen Interviews gefeatured. David Bowie, Björk, Tricky, Rick Rubin, Mehmet Scholl, alle sind sie mit dabei. Allein schon mit diesen Namen will man den Leser locken, dazu gibt es natürlich tolle Fotos und einen überwältigenden Heftumfang von über 250 Seiten. In Kauf muss man als Leser dabei allerdings nehmen, dass etwa Thom Yorke von Radiohead vor mehr als sechs Jahren einem Visions-Schreiber Rede und Antwort stand. Das war noch vor der elektronisch-experimentellen Phase der Band, das war noch eine völlig andere Zeit. Wer will von dieser heute noch etwas wissen?

Doch auch die in jüngster Zeit geführten Gespräche wecken nicht die Leselust, wie sie in Alert meist entsteht, wenn sich der Interviewer bemüht, möglichst bislang unbekannte Seiten einer öffentlichen Person zu zeigen. Doch wahrscheinlich wird nicht die Interview-Zeitschrift das Rennen machen, die die originelleren Interviews führt, sondern die, dem die größeren Stars exklusiv überhaupt etwas erzählen. In diesem Sinne ist es Galore bestimmt gelungen, sein Konkurrenzblatt schon mal mächtig einzuschüchtern.

andreas hartmann

Galore erscheint vierteljährlich, 4,90 Euro