Zoff um Mugabe

Auf dem Commonwealth-Treffen in Nigeria eskalierte die Auseinandersetzung um die suspendierte Mitgliedschaft Zimbabwes. von alex veit
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Man muss sich nur das schreckliche Leid der Menschen ansehen, um zu verstehen, dass dies nichts mit altmodischen Debatten über Kolonialismus zu tun hat. Es hat einfach mit Regimen zu tun, die ihre Menschen nicht richtig behandeln«, erklärte der britische Premier Anthony Blair am Wochenende zum Streit um die Suspendierung Zimbabwes vom Commonwealth. Doch diese Ansicht teilten vor allem die Staaten aus dem südlichen Afrika nicht. Die Auseinandersetzung um Zimbabwe, in der sich die »weißen« Mitgliedsstaaten des Commonwealth als Vertreter der Menschenrechte und eine Staatengruppe um Südafrika als antikoloniale Lobby darzustellen suchten, führte zu einer angespannten Stimmung beim Treffen der 52 Regierungschefs des Commonwealth im nigerianischen Abuja. In der Organisation sind vor allem ehemalige britische Kolonien versammelt.

Zimbabwe war im März des vergangenen Jahres ausgeschlossen worden, nachdem ein Beobachterteam der Organisation die dortige Präsidentschaftswahl als gefälscht beschrieben hatte. Nun drängten vor allem die Regierungen im südlichen Afrika auf eine Wiederaufnahme des Landes, obwohl sich die Lage dort keineswegs verbessert hat.

Die Person im Mittelpunkt des Streits war in Nigeria zwar abwesend, jedoch in den Debatten omnipräsent: Robert Mugabe, ehemals Befreiungskämpfer und gefeierter Staatsmann, inzwischen angefeindeter Präsident eines bankrotten, Hunger leidenden Landes, war zu dem Treffen in Nigeria nicht eingeladen worden. Er weilte stattdessen auf dem Kongress seiner Partei Zanu-PF, wo er eine kämpferische Rede hielt, die die Spekulationen um seinen angeblich bevorstehenden Rücktritt als Präsident Zimbabwes vorläufig beendete.

Bereits am Freitag hatte er einen letzten Versuch unternommen, das Commonwealth-Treffen zu spalten: »Was sollte die Sicht des Commonwealth dominieren – die afrikanische Solidarität und Souveränität, die Solidarität der Nicht-Weißen, oder die Macht der wenigen Weißen im Commonwealth?« Afrikanische Regierungen, die nicht auf seiner Seite stünden, würden eine unterwürfige Haltung gegenüber der »unheiligen Allianz« aus Großbritannien, Australien und Neuseeland einnehmen und deren Verschwörung gegen Zimbabwe unterstützen.

Die Spaltung des Treffens gelang Mugabe dadurch nicht, aber immerhin dominierte die Suspendierung seines Landes die Zusammenkunft. Die eigentlich geplante Agenda – Wirtschafts- und Entwicklungsthemen sowie der »Krieg gegen den Terror« – wurde in den Hintergrund gedrängt.

In Zimbabwe sind weiterhin große Teile der Bevölkerung von ausländischer Nahrungsmittelhilfe abhängig, während wegen der repressiv durchgesetzten und von Korruption gekennzeichneten Landreform viele fruchtbare Anbauflächen brach liegen. Die größte Oppositionspartei MDC wurde mit zum Teil abstrusen Prozessen überzogen, und Demonstrationen gegen die Regierung wurden gewaltsam verhindert. Anfang September wurde die oppositionelle Tageszeitung Daily News verboten, die nun an die Commonwealth-Delegierten in Nigeria eine Sondernummer verteilen ließ. Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal, die Inflation liegt über 500 Prozent. Vergangene Woche setzte der Internationale Währungsfonds (IWF) wegen nicht eingehaltener Verpflichtungen einen Mechanismus in Gang, der zum endgültigen Ausschluss des Landes aus dem Fonds führen könnte.

Trotzdem hielten vor allem Regierungen aus dem südlichen Afrika unter der Führung von Südafrikas Präsident Thabo Mbeki zu Mugabe. Mbeki erklärte zwar in einer Rede vor Beginn des Commonwealth-Treffens, dass afrikanische Regierungen nicht zusehen sollten, wenn in ihren Nachbarländern »Verbrechen an den Menschen begangen werden«. Doch ist ihm die konfrontative Haltung, die Großbritannien, Australien und Neuseeland gegenüber Zimbabwe einnehmen, ein Dorn im Auge. Am ersten Tag des Treffens versuchte Mbeki, den ehemaligen Außenminister Sri Lankas, Lakshman Kadirgamar, als neuen Generalsekretär durchzusetzen. Dieser Affront gegen Don McKinnon, den gegenwärtigen Amtsinhaber aus Neuseeland, scheiterte allerdings. McKinnon wurde mit 40 der 52 Stimmen wieder gewählt.

Auch im Streit um Zimbabwe konnten sich die afrikanischen Staaten nicht durchsetzen. Am Sonntag wurde die Verlängerung der Suspendierung beschlossen, wenige Stunden später veröffentlichte die Regierung Mugabes ihre Antwort: »Zimabwe hat seine Mitgliedschaft im Commonwealth mit sofortiger Wirkung gekündigt.«

Die Debatte um Zimbabwe dürfte damit jedoch nicht beendet sein. Ohne es explizit so auszudrücken, empfinden es die Regierungschefs im südlichen Afrika als ungebührlich, wie die »weißen« Regierungen mit Mugabe umgehen. Die Kolonialzeit liegt dort nur wenig mehr als zwanzig Jahre zurück, und Mugabe war eine der wichtigsten Figuren in den Befreiungskriegen. Auch im Kampf gegen die Apartheid in Südafrika, der vor knapp zehn Jahren gewonnen werden konnte, spielte Mugabe eine weit positivere Rolle als etwa Großbritannien, das allzu lange das ehemalige rassistische Regime Südafrikas unterstützt hat.

Hinzu kommen taktische Fehler vor allem von Blair. Anstatt die Versprechen seiner Vorgängerregierung einzuhalten und die Landreform in Zimbabwe zu finanzieren, beschwerte er sich vor allem über die Enteignung der wenigen tausend weißen Großgrundbesitzer. Die Kritik an den Menschenrechtsverletzungen in Zimbabwe wirkt nun opportunistisch.

Zudem brachten ausgerechnet Blair und sein australischer Kollege John Howard eine Wiederzulassung Pakistans zum Commonwealth ins Gespräch. Pakistans Mitgliedschaft wurde 1999 wegen des Militärcoups von Pervez Musharraf suspendiert. Nun sollten wohl die Dienste seiner Regierung im »Anti-Terror-Krieg« belohnt werden. Letztlich entschied sich das Commonwealth-Treffen aber gegen die Aufhebung der Suspendierung, denn sonst wären die unterschiedlichen Maßstäbe allzu deutlich geworden.

Der heftige Streit in Nigeria wirft ein Schlaglicht auf die widersprüchlichen Wahrnehmungen von Rassismus und dem Schutz von Menschenrechten innerhalb des ehemaligen britischen Empires. Gerade weil im Commonwealth vor allem auf einer symbolischen Ebene Politik gemacht wird, konnten die Afrikaner den Streit eskalieren, ohne direkte wirtschaftliche Nachteile fürchten zu müssen.

Die Doppelzüngigkeit etwa des australischen Premiers Howard muss den durch den antikolonialen Kampf geprägten Regierungen arrogant erscheinen. Howard kritisiert einerseits die Menschenrechtsverletzungen in Zimbabwe äußerst scharf, während er andererseits Flüchtlinge, die vor solchen Menschenrechtsverletzungen nach Australien fliehen, monatelang interniert.

Zugleich erweckte die Haltung der afrikanischen Regierungschefs um Thabo Mbeki allerdings den Eindruck, als sei ihnen die Solidarität mit einem autoritären Herrscher wichtiger als das Leben der Menschen in dessen Staat. Vor allem Südafrikas Politik gegenüber Mugabes Regime wird von vielen Beobachtern als »Rätsel« bezeichnet.

Die Regierung in Pretoria setzt offiziell auf Gespräche zwischen Mugabe und der Opposition, die von Mugabe jedoch nie ernsthaft betrieben worden sind. Zugleich verschärft Pretoria die Einwanderungsgesetze und bedient damit die xenophobe Grundstimmung gegenüber der großen Zahl an Flüchtlingen aus Zimbabwe. Die Stärkung des afrikanischen Selbstvertrauens, dem sich Mbeki verschrieben hat, wird durch die Solidarität mit autoritären Herrschern nicht erreicht werden können.