Mindestens eine viertel Kalaschnikow

Linke und rechte Antiimperialisten unterstützen den irakischen Widerstand mit Demonstrationen und Geld. von ivo bozic
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Täglich wird der Irak und vor allem die Hauptstadt Bagdad von Terrorangriffen erschüttert. 30 Anschläge pro Tag sind keine Seltenheit. Und längst geraten nicht mehr nur alliierte Soldaten ins Visier so genannter Widerstandskämpfer, sondern auch Zivilisten, die Uno, das Rote Kreuz und vor allem »Kollaborateure«, die nach Ansicht der Kämpfer die irakische Sache verraten und mit den Besatzern zusammenarbeiten. Über 1 700 Menschen sind seit dem angeblichen Kriegsende ums Leben gekommen.

Derweil wächst in Europa die Sympathie für den »Widerstand gegen die Besatzer«. Am vergangenen Samstag gingen in Rom rund 200 Kriegsgegner aus verschiedenen Ländern für die Unterstützung des Terrors auf die Straße. In einem Aufruf zur Demonstration wurde der irakische Widerstand als »nicht nur in moralischer, sondern auch in politischer Hinsicht absolut legitim« bezeichnet. Unter den Unterzeichnern fanden sich nicht nur vermeintlich linke, sondern auch rechte Antiimperialisten. Enrico Galoppini etwa, der bei den nächsten Europawahlen im Juni 2004 die neofaschistische Wahlliste »Fiamma Tricolore« unterstützt. Seine Bücher veröffentlicht der italienische Verlag Edizioni all’insegna del Veltro, der auch Bücher des notorischen Holocaust-Leugners David Irving herausbringt. Die österreichische Antiimperialistische Koordination (AIK), die zusammen mit ihrer italienischen »Sektion« zu den Initiatoren der Demonstration gehörte, bestreitet jede Zusammenarbeit mit Faschisten. Galoppini sei ein »Arabist« und publiziere in linken wie in rechten Zeitschriften, heißt es, er sei daher »Antiimperialist und Antifaschist«.

Dass die AIK Schwierigkeiten beim Einordnen ins Links-Rechts-Schema hat, verwundert kaum. Ist doch die AIK selbst ein typisches Querfrontprojekt, das mit seiner einseitigen Stoßrichtung gegen die USA und Israel roten wie rechten Antisemiten Tür und Tor öffnet. Ein linkes Selbstverständnis ist für die AIK unabdingbar mit Nationalismus verbunden. »Das nationale Selbstbestimmungsrecht ist das wichtigste Menschenrecht«, erklärt AIK-Sprecher Willi Langthaler das oberste Prinzip seiner Truppe. In der Grundsatzerklärung der AIK heißt es, man wolle eine Bewegung gegen »das zionistische Monster« bilden. Eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten lehnen die Wiener Antiimps ab: »Jede Lösung des Konflikts, die auf die Aufteilung des Landes beruht, ist nicht nur illegitim, sondern auch zum Scheitern verurteilt.« Anders gesagt: Israel soll verschwinden.

Doch die AIK begnügt sich nicht mit theoretischen Erklärungen. Sie steht den Jihadisten und anderen, die gegen die USA kämpfen, auch praktisch bei. In einem antiimperialistischen Camp im Sommer im italienischen Assisi hatten die AIK und Antiimps aus anderen Ländern beschlossen, Geld für den irakischen Widerstand zu sammeln. Zehn Euro solle jeder spenden. Für nur 40 Euro bekomme man schon eine Kalaschnikow. Inzwischen haben über 150 Menschen ihren Obolus entrichtet.

Ehemalige Militärs und die vor und während des Krieges in den Irak eingereisten arabischen Fedayin sind aufgrund ihrer Ausbildung und Bewaffnung die tragende Kraft des Widerstands. In einem Interview mit der deutschen Tageszeitung junge Welt beschreibt Langthaler den Widerstand so: »Das sind einerseits sunnitisch-islamische und schiitische Kräfte, hinzu kommen demokratische sowie arabisch-nationalistische Gruppen.« Die Kommunistische Partei des Iraks (KPI) verortet Langthaler hingegen auf der anderen Seite der Front, weil sie mit den USA zusammenarbeite. Und ein palästinensischer Fedayin erklärte der jungen Welt: »Es gibt ba’athistische bewaffnete Gruppen, einige sind loyal zu Saddam Hussein, andere sind es nicht. Es gibt natürlich auch Islamisten. Ungefähr die Hälfte der bewaffneten Kämpfer sind arabische Fedayin.« Einige von ihnen kämpfen gegen Bezahlung. Von der Zehn-Euro-Kampagne profitieren also vor allem die ba’athistischen Schlächter des untergegangenen Regimes.

Konkret fließen die Euros an die Irakische Patriotische Allianz (IPA) und deren Vorsitzenden Dschabbar Al Kubaysi, der selbst erläuterte: »Die Nichtba’athisten, die 35 Jahre vom politischen Leben ferngehalten wurden, waren zum Widerstand nicht bereit.« Und so erkläre sich, dass der »militante Widerstand (…) eng mit der Ba’ath-Partei und ehemaligen irakischen Militärs verbunden« sei. Das scheint auch für Al Kubaysi selbst zu stimmen. Zwar behauptete er in einem Gespräch mit der jungen Welt, die IPA sei »die genuine Opposition gegen das Saddam-Regime« gewesen, allerdings habe sie sich im Jahr 1992 zur Einstellung des Kampfes entschlossen.

Ein hochrangiges Mitglied der KPI versicherte der Jungle World jedoch, Al Kubaysi habe sich nie von seinem Freund Saddam Hussein abgewandt. Er sei bereits seit 1963 Mitglied der Ba’ath-Partei und an dem ersten Putsch Saddams beteiligt gewesen. Überdies sei er damals Mitglied der Miliz gewesen, die für das Massaker verantwortlich war, bei dem innerhalb einer Woche 17 000 Menschen ermordet wurden, darunter 5 000 Kommunisten.

Nicht nur in Italien und Österreich, sondern auch in Deutschland findet der Terror im Irak immer mehr Unterstützer – in sehr ungewöhnlicher Zusammensetzung. Die NPD in Frankfurt/Main agitiert im Internet für den Widerstand gegen die Besatzung. Ähnliches geschieht auf dem linken Webportal linkeseite.de, und Duisburger Antifas sammeln für Saddams Terrorfreunde sogar Geld in der Fußgängerzone. Bei einem bundesweiten Treffen der Friedensbewegung am 6. und 7. Dezember in Kassel war man sich einig, dass die USA umgehend aus dem Irak abziehen sollen – unabhängig von der Frage, ob das die Exponenten des alten Folterregimes wieder an die Macht bringen würde. Wenngleich die Mehrheit der Aktivisten den bewaffneten Kampf aus pazifistischen Erwägungen wohl ablehnt, haben andere wie der Buchautor Joachim Guilliard vom Antikriegskomitee Heidelberg schon zehn Euro gespendet, eine viertel Kalschnikow also. Selbst ein Kreisverband des ehemaligen FDP-Jugendverbands JungdemokratInnen/Junge Linke gehört zu den Initiatoren der Zehn-Euro-Kampagne. Und der rotbraune Kampfbund Deutscher Sozialisten veröffentlicht im Internet einen Aufruf Saddam Husseins aus dem Untergrund, in dem weitere Gewalttaten gefordert werden. Einer Umfrage des NDR-Magazins »Panorama« zufolge halten 26 Prozent der Deutschen die Terroranschläge im Irak für »legitimen Widerstand«.

Auch die Tageszeitung junge Welt lässt kaum einen Tag verstreichen, ohne den täglichen Terror im Irak als »legitim« zu bezeichnen. Besonders tut sich dabei Dauerkommentator Werner Pirker hervor. Und zwar nicht nur mit starken Worten, wie denen, dass der irakische Widerstand »nicht mehr und nicht weniger terroristisch« sei, »als es die französische Resistance war«. Auch er hat bereits zehn Euro an Saddams Kameraden gespendet.

Hans Brandscheid von Medico International geht die Unterstützung für die faschistischen Terrorbanden indes entschieden zu weit. Er hat sowohl die AIK als auch die junge Welt bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main angezeigt. Wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung und des Aufrufs zur Gewalt.