First Black Hope

Vor 95 Jahren gewann der erste Schwarze die Schwergewichts-WM

Im Jahr 1915 gestand der Boxer Jack Johnson, er habe sich bei der Verteidigung seines Titels als Weltmeister im Schwergewicht gegen Jess Willard absichtlich auszählen lassen, weil er geschmiert worden sei.

Der Kampf am 5. April jenes Jahres gilt als eine der ersten großen Schiebungen in der Geschichte des Boxsports. Zu dem schriftlichen Geständnis von Johnson kommt noch ein Foto, auf dem zu sehen ist, wie der angeblich gerade ausgeknockte Champ sich auf dem Rücken liegend die Hand zum Schutz vor der Sonne vor die Augen hält.

Sieben Jahre lang war Johnson Weltmeister und sieben Jahre lang war er angefeindet worden. Denn dass Johnson als erster Schwarzer in der wichtigen Schwergewichtsklasse dominieren konnte, galt dem weißen Amerika als zutiefst ärgerlicher Betriebsunfall. Mit einem K.o.-Sieg über Tommy Burns wurde Johnson am 26. Dezember 1908 Weltmeister, und um als Schwarzer überhaupt den Titel fordern zu können, musste er bis nach Sydney reisen. Johnson fuhr dem offiziellen Weltmeister Tommy Burns aus Kanada überall nach, um ihn zu stellen. Das, was man einem wie ihm, der als 16-Jähriger Profiboxer geworden war, zubilligte, nämlich »Neger-Weltmeister« zu sein, reichte ihm nicht. Erst dass seinem Gegner Burns mit 30 000 Dollar die bis dato höchste Kampfbörse versprochen wurde, ermöglichte den Kampf.

Johnsons Sieg kam einer Demütigung des Gegners gleich. Immer wieder präsentierte er dem Kanadier eine offene Seite, wich geschickt aus, wenn ihm der Gegner auf den Leim ging. Der WM-Kampf in Sydney endete mit einem Sieg für Johnson durch technischen K.o. in der 14. Runde. So lautet das offizielle Urteil, das erst zustande kam, nachdem die Polizei den Ring stürmte, um den Ringrichter zu bewegen, den Kampf zuungunsten des hilflos in den Seilen hängenden Burns abzubrechen.

In den USA war man entsetzt. Fieberhaft wurde nach einer white hope gefahndet. Johnson vermöbelte alle weißen Hoffnungen, und er verstieß gegen alles, was man sich im rassistischen Amerika unter einem »good nigger« vorstellte. Johnson war selbstbewusst, was als arrogant galt, er zog mit weißen Frauen herum, zeigte gerne seine Wohlstandsinsignien, heiratete eine Weiße, ließ sich scheiden und heiratete noch mal eine weiße Frau.

Weil er gegen Gesetze zur Rassentrennung verstieß, musste Johnson immer wieder die USA verlassen. Immer wieder wurde er zum Ziel rassistischer Übergriffe. Als ein weißer Fanatiker versuchte, den Weltmeister in einer Bar zu erschießen, warf sich ein Freund in die Schussbahn. Johnson überlebte, sein Schutzengel starb.

1915 kam es dann zum Kampf gegen Jess Willard. Johnson war schon 37 Jahre alt, aber er brauchte das Geld. Weil er in den USA immer noch verfolgt wurde, fand der Kampf auf Kuba statt. Johnson dominierte die ersten 20 Runden, doch in der 26. Runde ging er zu Boden.

Die weißen Boxfans jubilierten. Wieder war ein Weißer Weltmeisters aller Klassen. Es dauerte 22 Jahre, bis es 1937 mit Joe Louis wieder einen schwarzen Schwergewichtsweltmeister gab.

Jack Johnson fuhr am 10. Juni 1946 mit dem Auto zu einem WM-Kampf von Joe Louis, als er sein Auto gegen einen Laternenmast steuerte. An den Folgen dieses Unfalls starb er.

andreas rüttenauer