Der Jachtkapitän

ich-ag der woche

Wie ist es möglich, jahrelang Bilanzfälschungen ganz unprofessionell mit einer Schere, einem Scanner und einem Faxgerät zu erledigen, ohne dass jemandem etwas auffällt? Fragen Sie Herrn Calisto Tanzi, den Gründer von Parmalat, dem siebtgrößten Privatunternehmen Italiens.

Als der Betrug schließlich aufflog, saß sein Imperium plötzlich auf einem Schuldenberg von zehn bis 13 Milliarden Euro. Heute sitzt er zusammen mit der gesamten Führungsspitze von Parmalat im Knast. Von dort aus bot Tanzi jetzt an, mit dem Verkauf seiner zwei Jachten und dem Reiseunternehmen seiner Tochter zur Rettung seines Konzerns beizutragen.

»Enron auf italienisch«, »der spektakulärste Betrugsfall in der europäischen Nachkriegsgeschichte«, kommentieren italienische und europäische Zeitungen. Wie war das möglich? Gier des Unternehmers? Eher Versagen von Aufsichtsräten, Bilanzprüfern und sämtlichen Kontrollmechanismen für die Unternehmen und den Aktienmarkt. Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi fordert nun eine Reform des Kontrollsystems, »um in Italien wieder ein Klima von Vertrauen aufzubauen«.

Die Italiener sollen also Vertrauen haben. Aber in wen? Italienische Zeitungen berichteten in den vergangenen Tagen über geschädigte Parmalat-Kleininvestoren, die die Banken von Collecchio bei Parma, dem Hauptsitz von Parmalat, stürmten und ihre Kredite zurückverlangten, »Szenen, die an die Panikreaktionen nach der Krise in Argentinien erinnerten«. Dem guten alten italienischen Familienkapitalismus vertrauen sie ganz sicher nicht mehr. Und viel weniger dürften ihm die 36 000 Angestellten von Parmalat, 4 000 davon in Italien, vertrauen, deren Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen.

federica matteoni