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Geschäft ist Geschäft

Libyen. Nicht alle Ostfriesen trinken Tee hinterm Deich, einige spielen auch eine Rolle in der Weltpolitik. Bereits im Oktober fanden britische und US-amerikanische Ermittler auf einem Schiff der in Leer ansässigen Reederei BBC Charter & Logistic Material für den Bau einer Urananreicherungsanlage. Die für Libyen bestimmte Fracht war im Ladungsverzeichnis nicht registriert. Der erst in der vergangenen Woche bekannt gegebene Fund hat die Verhandlungen über den libyschen Verzicht auf ABC-Waffen möglicherweise beschleunigt.

Konsequent dem Kapitalismus zugewandt, erinnert die libysche Regierung nun an die ökonomischen Grundlagen des Deals, der das Land in die »internationale Gemeinschaft« zurückführen soll. Die Ratenzahlungen für die Angehörigen der Opfer des Anschlags von Lockerbie, zu denen sich Libyen verpflichtet hat, sei an die Beendigung der Sanktionen gebunden. Die Sanktionen in der UN sind bereits aufgehoben. Premierminister Shukri Ghanim forderte nun die Aufhebung der US-Sanktionen bis zum 12. Mai, denn es wäre »gut für die Familien der Opfer«, wenn die noch ausstehenden sechs Millionen pünktlich gezahlt werden könnten.

Sex & Gender

China. Xiaoli heiratete den Mann, den ihre Eltern für sie ausgesucht hatten, doch nach ihrer Scheidung bezog sie eine gemeinsame Wohnung mit A-Gang. Heiraten konnte das Paar allerdings nicht, denn A-Gang war ebenfalls eine Frau. Erst nachdem A-Gang sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hatte, gab die Bürokratie den beiden ihr Ja-Wort. Sie heirateten am Dienstag der vergangenen Woche in Chengdu.

Homosexualität ist weiterhin ein Tabu, dennoch signalisiert die Genehmigung für die erste Geschlechtsumwandlung eine gewisse Lockerung der prüden Moralvorstellungen. Erstmals soll in mehreren Großstädten nun auch Sexualkundeunterricht für Teenager angeboten werden. Pan Suiming, Sexologe an der Volksuniversität von Peking, spricht sogar von einer sexuellen Revolution. Nicht allein die mit den kapitalistischen Reformen ins Land gekommene sexualisierte Werbung habe die Wertvorstellungen der Bevölkerung beeinflusst. Bereits die »Kulturrevolution«, die Liebe als bourgeoise Dekadenz verdammte, habe eine Abwehrreaktion hervorgerufen, und die »Ein-Kind-Politik« habe mit der konfuzianischen Idee gebrochen, Sex sei allein zur Fortpflanzung legitim.

Konkurrenz für Uribe

Kolumbien. Seine Bewerbung war nicht ungefährlich, 30 Kandidaten wurden während des Wahlkampfes ermordet. Am Donnerstag aber konnte Luis Eduardo Garzón als erster Linker das Bürgermeisteramt der Hauptstadt Bogotá übernehmen. Um die Armut unter den sieben Millionen Einwohnern zu lindern, will Garzón Zentren für die Verteilung von drei täglichen Mahlzeiten errichten. Der ehemalige kommunistische Gewerkschafter sagte aber auch zu, den Klassenkampf nicht zu schüren.

Dennoch ist die Wahl Garzóns ein Rückschlag für den rechten Präsidenten Alvaro Uribe. Ähnlich wie in Frankreich gilt das Bürgermeisteramt der Hauptstadt als Sprungbrett für die Präsidentschaft, und Garzón hat Widerstand gegen die von Uribe geplanten Steuererhöhungen angekündigt, mit denen der Krieg gegen die linken Guerillagruppen finanziert werden soll. In diesem Krieg kann Uribe keine Erfolge vorweisen, während seine Ordnungskräfte immer wieder durch Skandale auf sich aufmerksam machen. In der vergangenen Woche wurden 16 Soldaten verhaftet, die bei einer illegalen Durchsuchung eine Tonne Kokain beschlagnahmt und offenbar geplant hatten, ihre Beute auf eigene Rechnung zu verkaufen.

Bouteflika dreht am Rad

Algerien. Im Ausscheidungsrennen vor der algerischen Präsidentschaftswahl, die im April stattfinden soll, wird mit härteren Bandagen gekämpft. Am Dienstag voriger Woche erwischte es den Kandidaten mit den zweitbesten Chancen: Ali Benflis, Generalsekretär der ehemaligen Einheitspartei FLN, die seit den letzten Parlamentswahlen von 2002 wieder stärkste Partei im Lande ist.

Am 5. Mai 2003 hatte Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika den FLN-Chef aus dem Amt des Premierministers geworfen, da diesem zu Recht Ambitionen auf das Amt des Staatschefs nachgesagt wurden. Im Oktober wurde Benflis auf einem FLN-Parteitag zum Präsidentschaftskandidaten gekürt, den das Verwaltungsgericht von Algier zuvor für illegal erklärte, als einige »Dissidenten« sich hinter Bouteflika scharten. Die Partei hielt ihren Kongress jedoch ab. Das Oberste Verwaltungsgericht sprach den Verwaltungsrichtern der Hauptstadt die Zuständigkeit ab, doch wurde daraufhin dessen Präsident ausgetauscht. Drei weitere hochrangige Richter wurden strafversetzt. Nachdem die störenden Elemente entfernt worden waren, verkündete jetzt das Verwaltungsgericht von Algier letzte Woche das »Einfrieren« aller Aktivitäten des FLN: Dieser darf seine Finanzen und seinen Parteinamen nicht benutzen, solange nicht geklärt ist, wer »wirklich« für den FLN sprechen darf. Die »Dissidenten« ihrerseits wollen noch in diesem Monat einen Gegenparteitag einberufen.

Zu erfolgreich

Russland. Der russische Präsident Wladimir Putin hat ein Problem. Am 14. März will er sich erneut wählen lassen, und seine Popularitätsrate liegt bei etwa 80 Prozent. Die Kreml-Partei Vereintes Russland hat bei den Parlamentswahlen im Dezember die KP und die beiden liberalen Parteien marginalisiert; deren Chefs werden im März nicht antreten und drohten zunächst mit Wahlboykott. Doch wird die Wahlbeteiligung dann die erforderlichen 50 Prozent erreichen? Denn nach der Verfassung dürfte Putin nicht bei einer erneuten, dann dritten Wahl antreten. Ein »nationales Vertrauensvotum für Putin« anstelle der Präsidentschaftswahl, wie es im Kreml erwogen wurde, erinnert zu sehr an autokratische Strukturen. So wurden »Alibi«-Kandidaten für die Wahl im März gesucht und gefunden, u.a. eine Liberale, der angeblich eine großzügige Finanzierung ihrer Wahlkampagne versprochen wurde – und zwar vom Kreml.