Arbeitslos im Brokkoli

Vom Urlaub bei »Ich bin ein Star, holt mich hier raus!« erhoffen sich schwer vermittelbare Prominente einen Karriereschub. von elke wittich und axel grumbach

Warum schaffte es RTL eigentlich nicht, trotz jahrelanger Bemühungen ein »Promi-Big-Brother« zu veranstalten und bekannte Persönlichkeiten mindestens ein paar Tage lang in dem bekanntesten Container der Republik wohnen zu lassen? Bis zum Beginn der Reality-Show »Ich bin ein Star, holt mich hier raus!« gab es auf diese Frage einfach keine Antwort.

Seit dem Einzug des verarmten TV-Landadels ins Dschungel-Camp steht nun aber fest: Die richtig echten Stars hatten wohl einfach nur viel zu viel zu tun und es daher gar nicht nötig, sich in jeder Sekunde von 36 Kameras und tausenden Internet-Usern überwachen zu lassen.

Den notorisch allzeit bereiten und völlig grundlos Prominenten hätte dagegen niemand gern beim Leben zugesehen, und so wurde aus dem immer mal wieder so vollmundig angekündigten Format eben – exakt gar nichts.

»IbeShmhr« (Ich bin ein Star, holt mich hier raus) dagegen macht aus der Not eine Tugend: Für die Low Lives der Branche gelten seit Anfang 2004 anscheinend auch die neuen Zumutbarkeitsregelungen der Arbeitswelt. Und so bestand die in der letzten Woche nach Australien verfrachtete Ansammlung samt und sonders aus besonders schwer vermittelbaren Fällen talentfreier Schlagzeilenproduzierer, deren Treiben im normalen Leben eigentlich niemanden interessiert hätte.

Wenn da nicht dieses ganz besondere Konzept gewesen wäre: Bei »IbeShmhr« geht es nämlich vor allem darum, blöde Menschen per Telefonanruf zu quälen, sie zum Beispiel ins Kakerlakenvollbad zu schicken oder von hungrigen Straußen kneifen zu lassen oder sie einer ekligen Insekten-Attacke zu unterziehen.

Und so hätte »IbeShmhr« eine sehr lustige und mit 49 Cent pro Anruf auch ausgesprochen kostengünstige Call’n’Revenge-Veranstaltung sein können – wenn sich nicht auf einmal die Feuilleton-Heroen, die Medienbeauftragten und die christlichen Würdenträger an ihren Auftrag als Spaßbremsen erinnert hätten. Vom Verlust der Menschenwürde war in ihren bereitwillig abgedruckten Statements die Rede, von Verrohung und Voyeurismus, ganz so, als seien Küblböck, Cordalis und Stahnke gegen ihren Willen nach Australien entführt und nicht etwa für sich auf zwischen 20 000 und 60 000 Euro belaufende Gagen engagiert worden, um dort fortan in einem entlegenen Dschungel voller tödlicher Gefahren gehalten zu werden. So hatte jedenfalls der Sender die tägliche Show angekündigt: Böse Viecher, giftige Schlangen, widrige Wetterverhältnisse sowie fieses, im Grunde nur aus Bohnen und Reis bestehendes Essen warte auf die Teilnehmer, hieß es in den ersten Trailern. Und wie gern hätte man daran geglaubt.

Leider sah sich RTL wohl aufgrund des, eigentlich niemanden weiter interessierenden Vorwurfs der Menschenrechtsverletzung zu einem qua Bild lancierten Dementi gezwungen. Dass das Camp nicht meilenweit von jeglicher Zivilisation entfernt liege, hatte man dabei schon dunkel geahnt, nachdem sich Caroline Beil verplappert hatte. »Nee, da hundert Meter weiter hinten ist doch schon die Straße«, hatte sie während eines Ausflugs gesagt. Kurz darauf sickerte durch, dass es sich beim Promi-Camp um ein zuvor von Experten gründlich aufgeräumtes Stück Wildnis handelt, wo Giftschlangen und anderes gefährliches Getier bis auf weiteres Zutrittsverbot haben.

Der Badeteich ist zudem künstlich angelegt (wer genau hinschaut, entdeckt an den Rändern noch die graue Plastikfolie), ein Arzt überwacht kontinuierlich das körperliche Wohl der bekannten Bagage, und eine Art Dach schützt die Teilnehmer davor, vom zu dieser Jahreszeit traditionellen australischen Dauerregen durchnässt zu werden.

Aber ist das, wo Werner Böhm und Co. ausgesetzt wurden, überhaupt Australien? Der Vorspann der Sendung gibt sich viel Mühe, authentische Szenen zu präsentieren, aber die überflogenen wuscheligen Baumkronen sehen streng genommen aus wie ungekochte Brokkolistangen. Spielt das Ganze vielleicht am Ende doch nur in irgendeinem tropikal aufgepeppten Waldstück in Köln-Hürth? Das würde immerhin erklären, warum es entgegen sonstiger RTL-Gewohnheiten keine Möglichkeit gibt, per teurem Internet-Service die Geschehnisse im Camp rund um die Uhr zu überwachen.

Aber eigentlich ist es wirklich wurschtegal, wo die fiesen Fernsehnerver aufbewahrt werden, denn es kommt ja schließlich darauf an, das selbstverliebte pseudoberühmte Gesocks zu quälen.

Das wohl samt und sonders in der Hoffnung angereist war, die eigene Karriere zu retten und vielleicht sogar, wie ihre Kollegen in den vorausgegangenen Star-Raushole-Sendungen zum Beispiel in den USA, zu bisher ungeahntem Ruhm zu kommen.

Trotz harter Konkurrenz dürfte dies von allen deutschen Dschungelreisenden am wenigsten Daniel Küblböck gelungen sein. Susan Stahnke machte ihm mit ihrer tränenreichen Dauervorstellung »Ich weiß nicht, wer mein Vater ist, und das macht mich so immens traurig« zwar kurzfristig den Rang als dümmster Dschungelbewohner streitig. Caroline Beil erwies sich als selbstgerechte Tratsche, und auch Werner Böhm und Costa Cordalis waren zeitweilig Anwärter auf einen Titel, nämlich den der »am dumpfesten implodierten Stimmungskanone«. Küblböck schaffte es jedoch mühelos, sich als deutscher Dauernerver Nummer eins zu profilieren. Das Männlein mit den pickeligen Oberarmen wollte plötzlich mit seinen Kolleginnen über Sex reden. Und schon brach das mühsam konstruierte Image des a- bis bi-sexuellen, esoterisch angehauchten Küblböck-Wesens zusammen und zurück blieb ein eindeutig orientierter 18jähriger Vollprolet: »Du liebst es doch, wenn du genommen wirst!« sagte er zu Antonia Langsdorf und fügte hinzu: »Wenn eine Frau immer führen will, dann finde ich das aber schlimm!«

Die souveräne Antwort »Manchmal muss eine Frau auch was tun, um auf ihre Kosten zu kommen. Wenn der Mann zum Beispiel nicht Bescheid weiß und sich dumm anstellt!« konterte der Dummling mit einem entschiedenen »Bei mir nicht!«

Und so wurde »IbeShmhr« dann doch trotz aller gutmenschlerischen Interventionen noch zu einem Vergnügen: Man kann täglich dabei zuschauen, wie sich ein Nervling um Kopf und Kragen redet. »Schwule und weiblich orientierte Männer« könnten im Gegensatz zu ihm »ganz sicher nicht richtig einparken«, erklärte er letztens anlässlich einer der euphemistisch »Prüfung« genannten Dusselfragen. Und wunderte sich sehr, dass er bei einigen seiner Mitbewohner auf Ablehnung stieß. Wobei die sicher von der selbst ernannten Dschungel-Diva ziemlich viel gewohnt sind: Mal mag das Küblböck nicht einsehen, dass es im alltäglichen Dschungelleben eben nun einmal keinerlei Privilegien genießt, mal vergreift es sich bereits als frisch zum Teamchef gewählter »Camp-Honecker« (Dirk Bach) so dermaßen im Tonfall, dass selbst notorisch viel gewohnte und daher sehr gelassene Typen wie Lisa Fitz und Werner Böhm sehr, sehr böse mit ihm werden und ihn zur Rede stellen. »Ihr versaut mir mein Image!« tobt das kleine Monster dann los, und dass RTL diese Szene sendet, kann eigentlich nur eins bedeuten: Entwarnung. Aufatmen. Der Sender hat anscheinend keine weiteren Pläne mit dem fiesen kleinen Kerl.