Patriotismus für Langsame

in die presse

Alle Jahre wieder taucht in irgendeiner Ecke des linken Sandkastens ein Kasperle auf und trötet etwas von Nation und Patriotismus. Allein in der jüngsten deutschen Geschichte: Habilitierte Alt-68er, die teilweise von ganz links nach ganz rechts umgezogen sind, machten den Anfang, die Friedensbewegung in den achtziger Jahren mit ihrem Neutralitätsnationalismus folgte, die PDS machte es nach, ebenso wie grüne Vertriebenenfreunde usw. usf. Jetzt meldete sich in der taz vom 10. Januar Robert Misik zu Wort, wohl um die theoretische Grundlage zum schwarz-rot-goldenen Farbenspiel der neuen Pop-Szene rund um die Band Mia und andere Verwirrte zu liefern. (Siehe Seite 11) Misik hat im letzten Jahr ein Buch mit dem Titel »Marx für Eilige« herausgegeben. Und nachdem er die Werke von Marx überflogen hat, beeilt er sich, auch etwas zum Verhältnis der Linken zur Nation aufs Blatt zu pfuschen. Er kommt aber dennoch zu spät.

Seine Kernthese lautet: Die Arbeiterklasse habe immer für soziale Errungenschaften gekämpft und für »die Anerkennung als gleichberechtigte Bürger ihres jeweiligen Nationalstaates«. Wenn Linke daher »stolz auf die Leistungen« der Arbeiterbewegung »ihres Landes« seien, dann sei das ein gesunder linker Patriotismus. Der Wohlfahrtsstaat sei ohne »sozialen Patriotismus« nicht mehr vorstellbar. Globalisierungskritik für Eilige, sozusagen. Oder eben: Deutsche Standortlogik für Fortgeschrittene.

So falsch und kurzsichtig die eiligen Patriotismus-Betrachtungen des Herrn Misik auch sein mögen, die falscheste Behauptung in seinem Text ist, dass die Debatte »nun (sic!) auch in Deutschland angekommen« sei, und dass sie »gerade jetzt« anschwelle. Das hätte die taz dem Misik nicht durchgehen lassen dürfen. Das ist nicht einfach eine bescheuerte Meinung, sondern zeugt von völliger Unkenntnis der Nationalismusdebatte der Linken, die so alt ist wie die Idee des Sozialismus selbst. Wenn dem Marx für Eilige nun also der Patriotismus für Zurückgebliebe folgt, hat das vielleicht ja eine gewisse Logik.

felix bauer