Felix Schilk und Eric von Dömming diskutieren das Verbot von Jürgen Elsässers Magazin

»Compact«-Verbot: wehrhafte Demokratie oder reine Symbolpoitik?

Das Verbot des rechtsextremen Magazins »Compact« wurde damit begründet, dass Inhalte bei »Compact« ­gegen die sogenannte freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Menschenwürde verstießen. Bekämpft man so Rechtsextremismus und sollten Linke dieses Vorgehen begrüßen? Zwei Positionen.

Längst den Bogen überspannt

Wer wie »Compact« dazu auffordert, das Regime zu stürzen, sollte sich nicht auf die Pressefreiheit berufen können.

Von Felix Schilk

In seiner Autobiographie beschreibt Jürgen Elsässer, wie die Redaktion von Compact 2010 in der Wohnung von Manuel Ochsenreiter, unter Bildern von Hitler und Stalin, auf die Nullnummer anstößt. Ochsenreiter war ein exzentrischer Rechtsextremist, der unter Pseudonym für Compact geschrieben und als wichtigste Kontaktperson des russischen Faschisten Aleksandr Dugin in Deutschland gewirkt hat. Laut Recherchen der Wochenzeitung Zeit gehen westliche Geheimdienste davon aus, dass er auch »in Diensten« des ehemaligen Anführers der Wagner-Gruppe, Jewgenij Prigoschin, stand.

Wie nun bekannt wurde, haben neben Ochsenreiter auch zahlreiche ehemalige NPD-Kader unter Pseudonym für Compact gearbeitet. Mit den Freien Sachsen, die im Verdacht stehen, Kontakte ins Umfeld des rechtsterroristischen NSU zu pflegen, und gerade erst dazu aufgerufen haben, die Privatadresse eines sächsischen Landrats zu veröffentlichen, hatte Compact enge Kontakte. Bereits 2013 schrieb Elsässer der NSU-Terro­ristin Beate Zschäpe einen Brief ins Gefängnis und forderte 2017 sogar ihre Freilassung. Mario Rönsch, damals Mitarbeiter und Gesellschafter von Compact, gründete 2016 den Webshop »Mi­grantenschreck«, mit dem er aus Ungarn illegal Waffen nach Deutschland verkaufte.

Compact erschien ab 2010 als Monatsmagazin, hat sich über die Jahre aber zu einer gut vernetzten Kampagnen- und Unterstützungsplattform für die extreme Rechte entwickelt. Dass bei dem Zeitschriftenprojekt weniger der Journalismus, als vielmehr die Mobilisierung einer Bewegung im Vordergrund steht, legen Elsässers eigene Aussagen nahe. Was er  schreibe, »ist nicht die Wahrheit«,  gab er 2021 gegenüber dem ARD-Magazin »Kontraste« zu Protokoll, »aber es hält sozusagen die Volksseele, den Volksdiskurs am Laufen«. Die »Erzählungen« und »Märchen« seien »die Hefe«, aus der ein »politischer Widerstand« entstehen soll.

Viele Milieus des deutschen Rechtsextremismus kamen bei Compact auf ihre Kosten. Das Magazin veröffentlichte Anleitungen für Prepper und Reichsbürger, rassistische Entmenschlichungen, offenen und codierten Antisemitismus bis hin zu verklausulierter Holocaustleugnung, provozierte ständig mit NS-Symbolik und rief zuletzt immer häufiger und unverhohlener zum »Sturz des Regimes« auf. Jeder einzelne dieser Inhalte lässt das Compact-Verbot begründet erscheinen. Und wer sich wie Elsässer als »Putin-Unterstützer« bezeichnet, der hält vermutlich auch politische Morde und Kriegsverbrechen für ein legitimes Mittel der Auseinandersetzung.

Bereits 2013 schrieb Elsässer der NSU-Terroristin Beate Zschäpe einen Brief ins Gefängnis und forderte 2017 sogar ihre Freilassung.

Für das am 16. Juli ausgesprochene Verbot hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Möglichkeit genutzt, die das Vereinsrecht bietet. Diese Herangehensweise hatte man 2017 bereits gegen das als »linksextrem« bezeichnete Medienportal Indymedia Linksunten gewählt. Was im Fall von Indymedia Linksunten augenscheinlich ein juristischer Taschenspielertrick gewesen ist – die Vereinsstruktur blieb immer unklar –, das trifft im Fall von Compact jedoch zu. Das Verbot richtet sich nicht gegen Compact als Medium, sondern gegen die Compact Magazin GmbH und angegliederte Unternehmen. Dort gab es klar formulierte politische Absichten, denen der Betrieb der Unternehmen auf den verschiedenen Geschäftsfeldern untergeordnet war.

Compact hat Kongresse und Veranstaltungen organisiert, politische Kundgebungen und Demonstrationen unterstützt, um Spenden geworben und zusammen mit anderen Rechtsextremen Kampagnen aufgesetzt. Politisches und Geschäftliches waren dabei stets so eng verbunden wie redaktionelle Inhalte, Agitation und Schleichwerbung für Produkte in den Web­shops der Gesellschafter. Die Erlöse der völlig überteuerten Silbermünzen und Nahrungsergänzungsmittel landeten wohl nicht nur in privaten Taschen, sondern möglicherweise auch in anderen rechtsextremen Netzwerken wie dem Verein Ein Prozent, den Elsässer mit Götz Kubitschek gegründet hat. Letzterer war immerhin klug genug, seinen Verein für Staatspoli­tik Anfang des Jahres aufzulösen – vermutlich, um einem möglicherweise drohenden Verbot zu entgehen.

Es dürfte kaum überraschen, dass die Unterstützer des rechtsextremen Netzwerks nun versuchen, das Vereinsverbot gegen die Compact-Unternehmen im Kontext von Meinungs- und Pressefreiheit zu skandalisieren. Auf diese durchsichtige Strategie sollte die ­Öffentlichkeit nicht hereinfallen. Eine wehrhafte Demokratie, die ihre Mittel ausschöpft um gegen Antidemokraten vorzugehen, ist nicht das Gleiche wie ein autoritärer Staat, was André Paschke im Magazin Jacobin mit Verweis auf den neurechten Compact-Autor Benedikt Kaiser herbeiphantasiert. Sie ist das einzige Mittel, um die hybriden und finanziell gut ausgestatteten rechtsextremen Netzwerke, wie Compact, zu stoppen.

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Undurchdachte Symbolpolitik

Das Verbot des Magazins »Compact« ist reine Symbolpolitik. Den Rechtsextremismus bekämpft man besser mit kontinuierlicher Aufklärungsarbeit.

Von Eric von Dömming

Das Bundesinnenministerium hat am 16. Juli ein Vereinsverbot gegen die Compact-Magazin GmbH und die Conspect Film GmbH erlassen. Erstere hat das rechtsextreme Magazin Compact herausgegeben, letztere Videoinhalte für Compact produziert. Das Innenministerium begründet diesen Schritt ­damit, dass Compact sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte.

In der Verbotsverfügung, die lediglich für den dienstinternen Gebrauch bestimmt war, jedoch online zugänglich ist, wird aufgeführt, dass in der Zeitschrift wiederholt bestritten worden sei, dass es sich bei Menschen mit deutschem Pass um »richtige« Deutsche handle, wenn diese einen Migrationshintergrund haben. Auch verbreite die Zeitschrift die Behauptung, es gebe systematische Bemühungen, das deutsche Volk auszutauschen, und propagiere als Lösung dafür Deportationen von Menschen mit Migrationshintergrund. Compact verbreite Rassismus, antisemitische Verschwörungstheorien und Umsturzphantasien. Des Weiteren nennt die Verbotsverfügung auch personelle Überschneidungen zur rechtsextremistischen Szene.

Dennoch stellt sich die Frage, ob all das rechtlich genügt, um das Magazin zu verbieten. Klar ist, dass bei Verstößen gegen die verfassungsmäßige Ordnung grundsätzlich auch eine GmbH über das Vereinsgesetz verboten werden kann. Ob das auch für Medien- und Presseunternehmen gilt, ist hingegen nicht so eindeutig. Denn anders als für das Vereinsrecht hat der Bund keine Gesetzgebungskompetenz für das Presserecht. Diese liegt bei den Ländern, die jeweils eigene Landespressegesetze erlassen haben. Verbote ganzer Pu­­blikationen sind in diesen jedoch nicht vorgesehen.

Beunruhigend ist, dass immer schneller zu Verboten gegriffen wird, statt etwa einzelne Ausgaben zu verbieten oder konkrete strafbare Inhalte zu verfolgen.

Zudem reicht die bloße Feindschaft gegen die sogenannte freiheitliche ­demokratische Grundordnung für ein Vereinsverbot nicht aus. Der Verein muss laut der bisherigen Rechtsprechung von Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht auch den Willen haben, seine verfassungsfeindlichen Ziele »kämpferisch-aggressiv« zu verfolgen. Ob die in der Verbotsverfügung angeführten Äußerungen das belegen, lässt sich unterschiedlich bewerten. Es stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen Äußerungen, die selbst keinen Straftatbestand erfüllen, ausreichen können, um eine solche aggressiv-kämpferische Haltung zu belegen und ein Verbot zu begründen. In jedem Fall müssen die Verbotsgründe gegen die Presse- und Meinungsfreiheit abgewogen werden, für deren Einschränkung das Bundesverfassungsgericht eine ausgesprochen hohe Hürde anlegt. Denn ohne Meinungsfreiheit ist auch keine Demokratie möglich – staatliche Eingriffe müssen dem Rechnung tragen.

Ob das Verbot rechtmäßig ist, wird sich also erst noch zeigen müssen. Jürgen Elsässer teilte am 18. Juli auf X mit, die Anwälte von Compact würden schon rechtliche Schritte vorbereiten. Hält das Verbot von Compact vor Gericht nicht stand, dürfte ein weiterer Verbotsversuch in den kommenden Jahren unrealistisch sein. Dem Antifaschismus wäre damit ein Bärendienst erwiesen.

Von rechtlichen Bedenken abgesehen stellen manche die Frage, ob sich eine solche Verbotspraxis auch gegen linke Publikationen richten werde. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass linke Publikationen und Medien auch jetzt schon verboten werden. Das prominenteste Beispiel aus jüngerer Vergangenheit ist Indymedia Linksunten. Anders als gegen Compact wurde gegen die Betrei­ber:innen sogar ein Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung geführt. Und in den fünfziger Jahren wurde nach dem Verbot der KPD eine ganze Reihe von parteinahen Publikationen kriminalisiert.

Verboten von Presseerzeugnissen sollte man entgegentreten. Denn staatliche Repression, die auf Grundlage der Extremismustheorie nicht zwischen links und rechts differenziert, schert sich erfahrungsgemäß wenig darum, ob sie nun rechte oder linke »Extremisten« trifft. Beunruhigend ist insbesondere, dass immer schneller zu Verboten gegriffen wird, statt etwa einzelne Ausgaben zu verbieten, konkrete strafbare Inhalte zu verfolgen oder die Löschung von Postings auf Online-Portalen zu veranlassen.

Für das Innenministerium ist das Verbot von Compact eine billige Maßnahme, die vor allem symbolischen Wert haben dürfte. Das Publikum von Compact verschwindet dadurch nicht, auch wenn es sich um neue Informationsquellen bemühen muss. Wer Faschist:innen schwächen will, sollte vor allem Antifaschist:innen stärken, und das unabhängig von umstrittenen Extremismusklauseln. Das Verbot ­einer rechtsextremen Zeitschrift wie Compact kann helfen, wenn es gut vorbereitet und rechtssicher ausgesprochen wird. Doch auch dann wird die wesentliche Arbeit gegen den Rechtsex­tremismus an anderer Stelle geleistet.